Vorgestern, am Dienstag, war endlich das erste Therapiegespräch nach dem offiziellen Ende. Vier Wochen sind wirklich scheißverdammtelend lang, besonders wenn es mir so mies geht. Meine Überlegungen vorher, wie eine Sitzung nach der Pause wohl anfangen und was das Thema sein könnte, lösten sich in Luft auf, denn ich fiel natürlich mit der aktuellen Situation mitten rein, als hätten wir uns grade eben erst gesehen. Und es tat so so so gut, Gedanken und Gefühle los zu werden und ein Feedback zu bekommen von Einer, die mich wirklich gut kennt inzwischen.
Der für mich wichtigste Satz: “Sie müssen etwas finden, um zurecht zu kommen, bis Sie umziehen können, denn der Hass, den Sie grade empfinden, so verständlich der ist: der vergiftet Sie und das ist gar nicht gut. So sind Sie nämlich eigentlich nicht.”
Das heißt also: zum einen muss ich einen Plan machen. Was muss ich der Reihe nach erledigen, was brauche ich dafür, kann ich das alleine oder nehme ich die Hilfe von Frau R. in Anspruch, was ich ohne mich vor irgendwem - auch nicht vor mir selbst!! - rechfertigen zu müssen nämlich jederzeit darf, weil ich genau dafür ja beim HilfeDings bin.
Zum anderen muss ich das Kaninchen von der Straße holen, das sich angstvoll seinem Schicksal ergibt. So wie ich selbst in Zeiten, in denen in mir alles schwer und düster ist, noch die Farben und die Schönheit der Pflanzen im Sommerlicht sehen kann, muss ich versuchen, auch in dieser Situation das Gute wahrzunehmen. Mich z.B. über Regentage wie heute freuen, weil dann niemand draußen sitzen mag zum essen und quasseln, es aber trotzdem warm genug für eine offene Balkontür ist. Die Menschen ob ihrer (vermeintlichen?) Oberflächlichkeit und ihrer Rücksichtslosigkeit nicht hassen, sondern mir bewußt machen, dass ich nicht so bin. Oder ganz banal die Übungen aus der PMR machen, um die Anspannung los zu werden, durchatmen und ein klein wenig besser aushalten zu können. Und ich muss mir immer wieder sagen: es ist begrenzt, es wird besser. Ich muss einiges dafür tun und ich werde zwischendurch fluchen und heulen, aber ich bin nicht allein. Ich schaffe das.
Das ist übrigens ein Paradebeispiel dafür, wie sehr passende Therapie wirkt. Heute bin ich mindestens 13 cm und ein viertel Pfund mutiger und hoffnungsvoller als noch vor drei Tagen und das nach nur einem Gespräch.
Und weil es gut ist, wenn ich das festhalte und irgendwann nachlesen kann, sei noch erwähnt, dass ich es inzwischen 1. nach langem Anlauf geschafft habe, den Spendenantrag zu stellen für eine neue Matratze und die Bewilligung dafür da ist, dass ich 2. nach fast ebenso langem Anlauf endlich mit meinem Vermieter gesprochen habe und am Montag der Klempner kommt, um den dauertropfenden Wasserhahn in der Küche zu reparieren und dass ich 3. letzte Woche mit viel Herzklopfen mit einer (äußerst gelangweilten und auskunftsunfreudigen) Mitarbeiterin der SAGA telefoniert habe, weil die nämlich unfassbar tolle neue Wohnungen im besseren Teil von Lurup bauen und sozial vermieten (ja, das Projekt ist noch aktuell und es gibt dort noch Wohnungen, aber nein, ich kann nichts beschleunigen und es wird nach Zufallsprinzip ausgewählt, wer dafür ein Angebot bekommt) und eigentlich bin ich nicht schlauer als vorher, aber immerhin hab ich angerufen.
Zum ersten Mal seit fast einem Jahr war ich gestern wieder bei der Mittwochsgruppe vom HilfeDings. Coronabedingt sind wir je nach Wetter im Garten - ohne Test und MNS, mit viel Abstand - oder dürfen auch wieder nach drinnen, dann aber nur mit frischem Test bzw. vollständigem Impfschutz.
Nach dem Treffen und dem anschließenden Einkauf war ich komplett erledigt und hab erst zwei Stunden im Bett und abends nochmal eine Stunde auf dem Sofa gepennt. Wir waren nur zu fünft, aber so viel Interaktion mit so vielen Menschen auf einmal hatte ich ewig nicht mehr. Ich fürchte, das mit dem sozialen Leben muss ich erst wieder üben.