01-07-2021 Das Kaninchen von der Straße holen

Vor­ges­tern, am Diens­tag, war end­lich das erste The­ra­pie­ge­spräch nach dem offi­zi­el­len Ende. Vier Wochen sind wirk­lich scheiß­ver­damm­te­lend lang, beson­ders wenn es mir so mies geht. Meine Über­le­gun­gen vor­her, wie eine Sit­zung nach der Pause wohl anfan­gen und was das Thema sein könnte, lös­ten sich in Luft auf, denn ich fiel natür­lich mit der aktu­el­len Situa­tion mit­ten rein, als hät­ten wir uns grade eben erst gese­hen. Und es tat so so so gut, Gedan­ken und Gefühle los zu wer­den und ein Feed­back zu bekom­men von Einer, die mich wirk­lich gut kennt inzwischen.

Der für mich wich­tigste Satz: “Sie müs­sen etwas fin­den, um zurecht zu kom­men, bis Sie umzie­hen kön­nen, denn der Hass, den Sie grade emp­fin­den, so ver­ständ­lich der ist: der ver­gif­tet Sie und das ist gar nicht gut. So sind Sie näm­lich eigent­lich nicht.”

Das heißt also: zum einen muss ich einen Plan machen. Was muss ich der Reihe nach erle­di­gen, was brau­che ich dafür, kann ich das alleine oder nehme ich die Hilfe von Frau R. in Anspruch, was ich ohne mich vor irgend­wem - auch nicht vor mir selbst!! - rech­fer­ti­gen zu müs­sen näm­lich jeder­zeit darf, weil ich genau dafür ja beim Hil­fe­Dings bin.
Zum ande­ren muss ich das Kanin­chen von der Straße holen, das sich angst­voll sei­nem Schick­sal ergibt. So wie ich selbst in Zei­ten, in denen in mir alles schwer und düs­ter ist, noch die Far­ben und die Schön­heit der Pflan­zen im Som­mer­licht sehen kann, muss ich ver­su­chen, auch in die­ser Situa­tion das Gute wahr­zu­neh­men. Mich z.B. über Regen­tage wie heute freuen, weil dann nie­mand drau­ßen sit­zen mag zum essen und quas­seln, es aber trotz­dem warm genug für eine offene Bal­kon­tür ist. Die Men­schen ob ihrer (ver­meint­li­chen?) Ober­fläch­lich­keit und ihrer Rück­sichts­lo­sig­keit nicht has­sen, son­dern mir bewußt machen, dass ich nicht so bin. Oder ganz banal die Übun­gen aus der PMR machen, um die Anspan­nung los zu wer­den, durch­at­men und ein klein wenig bes­ser aus­hal­ten zu kön­nen. Und ich muss mir immer wie­der sagen: es ist begrenzt, es wird bes­ser. Ich muss eini­ges dafür tun und ich werde zwi­schen­durch flu­chen und heu­len, aber ich bin nicht allein. Ich schaffe das.

Das ist übri­gens ein Para­de­bei­spiel dafür, wie sehr pas­sende The­ra­pie wirkt. Heute bin ich min­des­tens 13 cm und ein vier­tel Pfund muti­ger und hoff­nungs­vol­ler als noch vor drei Tagen und das nach nur einem Gespräch.


Und weil es gut ist, wenn ich das fest­halte und irgend­wann nach­le­sen kann, sei noch erwähnt, dass ich es inzwi­schen 1. nach lan­gem Anlauf geschafft habe, den Spen­den­an­trag zu stel­len für eine neue Matratze und die Bewil­li­gung dafür da ist, dass ich 2. nach fast ebenso lan­gem Anlauf end­lich mit mei­nem Ver­mie­ter gespro­chen habe und am Mon­tag der Klemp­ner kommt, um den dau­er­trop­fen­den Was­ser­hahn in der Küche zu repa­rie­ren und dass ich 3. letzte Woche mit viel Herz­klop­fen mit einer (äußerst gelang­weil­ten und aus­kunfts­un­freu­di­gen) Mit­ar­bei­te­rin der SAGA tele­fo­niert habe, weil die näm­lich unfass­bar tolle neue Woh­nun­gen im bes­se­ren Teil von Lurup bauen und sozial ver­mie­ten (ja, das Pro­jekt ist noch aktu­ell und es gibt dort noch Woh­nun­gen, aber nein, ich kann nichts beschleu­ni­gen und es wird nach Zufalls­prin­zip aus­ge­wählt, wer dafür ein Ange­bot bekommt) und eigent­lich bin ich nicht schlauer als vor­her, aber immer­hin hab ich angerufen.


Zum ers­ten Mal seit fast einem Jahr war ich ges­tern wie­der bei der Mitt­wochs­gruppe vom Hil­fe­Dings. Coro­nabe­dingt sind wir je nach Wet­ter im Gar­ten - ohne Test und MNS, mit viel Abstand - oder dür­fen auch wie­der nach drin­nen, dann aber nur mit fri­schem Test bzw. voll­stän­di­gem Impf­schutz.
Nach dem Tref­fen und dem anschlie­ßen­den Ein­kauf war ich kom­plett erle­digt und hab erst zwei Stun­den im Bett und abends noch­mal eine Stunde auf dem Sofa gepennt. Wir waren nur zu fünft, aber so viel Inter­ak­tion mit so vie­len Men­schen auf ein­mal hatte ich ewig nicht mehr. Ich fürchte, das mit dem sozia­len Leben muss ich erst wie­der üben.