Wenn das stimmt, was über die Träume in den Rauhnächten erzählt wird – dass sie vorhersagen, wie das neue Jahr wird –, dann möchte ich bitte nochmal zurück zum Anfang. Sonst irre ich nämlich in den nächsten Monaten hin und her auf der Suche nach irgendwas, verpasse dabei sämtliche Züge, ziehe tatsächlich um und um mich herum fallen reihenweise Menschen aus Fenstern. Das muss doch alles nicht sein.
Die Stimmung ist seltsam dieser Tage. Wie unterwegs zu sein, ohne zu wissen, woher und wohin. “Zwischen den Jahren” trifft es ganz gut, vor allem, wenn ich lese, was Mitzi Irsaj dazu schreibt.
Frau Iwanov erklärt, dass ich einfach noch zwischen den Jahren festhänge. So etwas kann passieren und wenn ich ihr glauben darf, dann gar nicht einmal so selten. Wir Menschen sind für dies Tage zwischen Weihnachten und hl. Drei König einfach nicht gemacht. Tief in unserem inneren folgen wir dem Mondjahr, sagt Frau Iwanov, und nicht dem Sonnenjahr. Es sei also kein Wunder wenn man in diesen seltsamen Nicht-Tagen ein wenig aus dem Takt gerät.
https://mitziirsaj.com/2021/01/03/zwischen-den-jahren/
Bei Herrn Buddenbohm gab es einen Link, dem ich am Abend gefolgt bin: “Welt auf Abstand”, ein Dokumentarfilm auf Arte, der sich “… auf eine Reise durch ein außergewöhnliches Jahr begibt: quer über den ganzen Globus, zu unterschiedlichsten Menschen, durch eine Welt im Ausnahmezustand.”
Wenn man die Corona-Viren der ganzen Welt zusammen trägt, wiegen sie zusammen gerade mal 2 Gramm. Zwei Gramm Viren haben den Planeten zum Erliegen gebracht.
aus dem Dokumentarfilm “Welt auf Abstand”
“Es ist eine Zeit voller Widersprüche: Stille und Chaos, Schönheit und Tod, Hoffnung und Verzweiflung, Nähe und Einsamkeit, Gehorsam und Protest existieren nebeneinander und miteinander. Unsere Welt befindet sich im Ausnahmezustand. Doch was passiert, wenn Menschen sich nicht mehr in die Arme schließen dürfen, wenn Nähe verboten ist?
Der Dokumentarfilm „Welt auf Abstand - Eine Reise durch ein besonderes Jahr“ taucht in unterschiedliche Lebenswelten ein und beobachtet, was die Pandemie mit den Menschen macht.” (aus der Filmbeschreibung)
Der Film ist in der Mediathek noch bis zum 08.03.2021 abrufbar.
Neu entdeckt hab ich die - wie sie sich selbst beschreibt - Künstlerin, Autorin, Fotografin und Wandlerin zwischen den Zeilen Anne Seubert, die nicht nur ihre Webseite mit einem unfassbar schönen WordPress Theme gebaut hat, sondern vor allem eben sehr spannende, teils ungewöhnliche Sachen schreibt. Von “Ein-Wort-Gedichten” über Notizen, Lyrik und losen Sammlungen im Zettelkasten bis zu kurzen und längeren Texten ist da viel zu lesen, auf das ich mich freue.
Manchmal entstehen diese Momente, in denen einer zieht, schneller als sein Schatten. Diese Schatten der Zeit, in denen einer Ja sagt, noch ehe die Frage entworfen. In denen einer den Ton trifft ohne das Lied zu kennen und in dem du tanzt, als wäre der Ball dein erster und du Erbin eines Talents.
https://www.wortlaute.de/2020/12/28/der-naechste-bitte/
Es gibt sie diese Momente, in denen mein Auge ein Lächeln warhnimmt, das noch nicht gelächelt, das noch nicht in Auftrag gegeben, das sich unter der Tür durchgeschmuggelt hat wie einer dieser vorwitzigen Sonnenstrahlen früh morgens, bevor der Wecker seine Stimme erhebt.
Und dann war da noch ein weiterer Link bei Herrn Buddenbohm zum Blog von der Kaltmamsell, wo mich beim Lesen des Beitrags aber etwas anderes viel mehr ansprang als das von Herrn B. verlinkte.
Da ging es um eine Yogaübung, die diesen Hinweis beinhaltete: „Be the best version of yourself“. Sie schreibt dann weiter:
[…] dass ich eher Gegenteiliges brauche, weil mich vermutlich genau dieses Ziel, „die beste Version meiner selbst sein“, zermürbt hat: Es ist für mich (!), die von klein auf auf Leistungsgesellschaft gedrillt ist, in erster Linie unerreichbar, weil immer eine weitere Verbesserung möglich ist, was das Leben automatisch zu einer Abfolge von Scheitern und Enttäuschungen macht; mühelose Errungenschaften sind wertlos, wenn nicht sogar ein Versehen, nur Mühe zählt. Als mögliches Ziel fiel mir letztendlich für mich ganz persönlich ein: Accept failure, no matter what, it doesn’t take away your worth – akzeptiere Scheitern, egal welches, akzeptiere, deinen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, nichts davon verringert deinen Wert.
https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2021/01/journal-freitag-1-januar-2021-unerreichbare-beste-versionen.htm
und das ist ja etwas, das ich so wahnsinnig gut von mir selbst kenne, von frühester Kindheit an, dass nur zählt, wofür du (hart) gearbeitet hast und dass überhaupt ein Mensch nur zählt, der auch was leistet. Gepaart war das allerdings mit der Einstellung “Was geklappt hat, war Zufall - was schief ging, lag nur an dir selbst”. Ein - wenn ich das so geschrieben sehe - scheinbares Paradoxum, das aber bestens funktioniert hat, uns jegliches Selbstvertrauen zu nehmen.
Zu dem Beitrag gibt es einen Kommentar, den ich spannend finde:
Mir hat beim Umgang mit meinem eigenen übertriebenen Perfektionismus und Leistungsdenken irgendwann geholfen, dass diese nicht nur in meiner Erziehung und teilweise meinem Charakter begründet sind, sondern in den kapitalistischen Strukturen, die mich durchdringen, in denen es eben keine Wertschätzung oder Toleranz für Pausen, Nichtstun und Versagen gibt.
Des Weiteren hab ich mir zu Herzen genommen, was ich irgendwann im Studium gelernt habe: In etlichen rituellen Kontexten (Bauten, Ritualen etc) in verschiedenen Ecken dieser Welt werden kleine Fehler oder Unregelmäßigkeiten eingebaut oder absichtlich nicht perfekt gemacht, um Götter, Geister, Ahnen nicht zu erzürnen. Menschen können und dürfen im Gegensatz zu diesen nämlich nicht perfekt sein.
Das ganze Thema ist auf jeden Fall eins, das in meiner Therapiearbeit noch dran kommen muss. Das erste, was mir dazu spontan einfällt, ist: nur in den Momenten oder Situationen, wenn ich mich klein und nutzlos fühle, bekommt überlasse ich Igor den Raum zu wachsen und mich unter seinem Gewicht zu begraben. Wenn ich aber mein Selbstbewußtsein stärke, mich stärke, kann ich ihm etwas entgegen setzen. Und das hat überhaupt nichts damit zu tun, perfekt zu sein.
(Das mit den Links zu Seiten, Texten, Filmen etc., die ich interessant finde, könnte jetzt öfter vorkommen. Dann find ich sowas vielleicht auch mal irgendwann wieder …)
Feiner Mix aus Links und Gedanken dazu. Gern mehr davon.
(Hab ich auch schon überlegt.)
(PS: Ich mag ja die Zeit zwischen den Jahren sehr. Ich nehme sie als geradezu ätherisch und immateriell wahr, als wirklich freie, ungebundene Zeit.)
Damit lassen sich ja auch Tage füllen, hab ich mir gedacht 😉
Nein, im Ernst: wenn ich das hier stehen hab, find ich es leichter, als wenn ich z.B. bei Herrn Buddenbohm wühlen muss. Und so manches Netzfundstück darf bewahrt werden.
Früher mochte ich die Tage auch, aber ich glaube, mein Igor hat einen großen Teil meiner ehemals vorhandenen Spiritualität gefressen. Vielleicht kommt das ja wieder, jetzt wo Igor die meiste Zeit schlafend im Körbchen liegt …?