Wie war das noch: wenn in der Therapie die Tränen fließen und / oder du hinterher komplett alle bist, war es eine gute Sitzung? Tja, dann war die Sitzung letzten Donnerstag eine von der richtig guten Sorte. Mit von tief unten ausgegrabenen Erinnerungen, Zweifeln, Fragen, Gedanken und eben mit Tränen, weil: manchmal darf Eine auch Mitleid mit sich selbst haben für alles, was ihr passiert ist und wegen allem, was ihr gefehlt hat und noch immer fehlt.
Ich hatte erzählt von dem, was ich im vorletzten Beitrag geschrieben hatte. Dass da nie Sicherheit war in meinem Leben und niemand, der sie mir gegeben hätte. Und dass ich einen Zusammenhang sehe mit meiner Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen und sie danach auch umzusetzen. Denn wie soll ich mich auf etwas festlegen, wenn es doch keine Sicherheit gibt, dass es dann auch richtig und gut wird? Und da ist ja auch nie jemand, der mich bestärken oder bestätigen könnte, der mir Sicherheit geben könnte, auf den ich mich verlassen könnte. Immer muss ich mich auf mein eigenes Gefühl verlassen - aber was ist denn, wenn das gar nicht stimmt? Wie soll ich mir vertrauen, wenn ich mir dessen nicht sicher bin?
Und dann blitzte vor meinen Augen ein Bild auf: von richtig gutem Essen, das es vielleicht einmal im Monat gab früher, und ich sitze am Tisch und freue mich und fange grade an zu genießen, da kommt jemand und nimmt mir den Teller weg, obwohl ich noch lange nicht fertig und erst recht nicht satt bin und dieses Bild steht eigentlich für alles in meiner Kindheit.
Essen, Liebe, Geborgenheit, Sicherheit, Unterstützung … Von allem, was ein Kind zum Großwerden braucht, gab es immer nur eine Ahnung, grade mal so viel, dass ich merkte, was mir fehlte.
Wie soll Eine sich denn sicher sein und vertrauen, die nie bekam, was sie brauchte?
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Frau K., die im Rahmen ihres Praktikums beim HilfeDings immer wieder mal in unserer Mittwochsgruppe war, brachte zu ihrem letzten Mal Geschenke mit. Unter anderem gab es selbst gebastelte Glückskekse mit von ihr selbst geschriebenen Sprüchen, von denen Jede sich einen aussuchen konnte. In meinem stand das:
Hoffnung ist
an und für sich
immer Gabe und Aufgabe zugleich
Ich bin nicht sicher, ob ich die Gabe wirklich habe, aber wenn ich nicht aufgeben will, bleibt es (meine) Aufgabe, weiterhin Hoffnung zu haben: dass mein Leben noch einmal besser wird. Dass ich schaffe, was ich mir vornehme. Dass ich mir meiner selbst sicher sein und meinem Gefühl vertrauen kann. Irgendwann vielleicht.
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Letztens kam so ein Gedanke in meinen Kopf:
Was, wenn ich auf die Frage “Und, was machst du so den ganzen Tag?” nur noch antworten würde mit “Alles, was mir gut tut”? Werde ich das je mit Überzeugung sagen können?
Danke für all diese Gedanken und dass du sie teilst. Auch deine Tränen.
(Was du über die fehlende Sicherheit schreibst: Genau solche Gedanken, oder jedenfalls so ähnliche, hatte ich letzte Nacht in Bezug auf meine Kindheit. Vielleicht ausgelöst durch das neue Buch von Milena. Die Mutter der Protagonistin hat mich an meine erinnert. Und wenn ich jetzt deins lese, eben auch an deine Ursprungsfamilie.)
Du Liebe, diese Gabe und Aufgabe wünsche ich uns: Dass sie werde, dass sie gelinge. <3
Milena Moser muss es heißen.