04-01-2022 Keine Vorsätze

Die Fei­er­tage sind vor­bei, ich werde wie­der von Kita­kin­der­ge­brüll auf dem Hin­ter­hof­spiel­platz geweckt. So schön. 

An die­ser Stelle mal wie­der: doch, ich mag Kin­der. Wirk­lich. Also so grund­sätz­lich. Ich weiß, ich schreibe hier oft, dass ich genervt bin von ihnen. Aber ich meine auch nicht alle damit. In die­ser spe­zi­el­len Kita­gruppe sind es ver­mut­lich auch nur 3 oder 4 Kids, die so laut krei­schen und der Rest spielt ein­fach nur. Und eigent­lich ner­ven mich auch viel mehr die Erwach­se­nen, die dabei ste­hen und die Kin­der ein­fach machen las­sen. Ich finde auch, dass Kin­der sich aus­to­ben und Lärm machen dür­fen sol­len, aber genauso wich­tig finde ich, dass sie Regeln des Mit­ein­an­ders ler­nen. Respekt, Rück­sicht, Tei­len. Wie weit kann ich mich nach mei­nem Bedürf­nis aus­le­ben und wo über­schreite ich die Gren­zen mei­ner Mit­men­schen. Wie laut kann ich sein, so dass die ande­ren auch noch gehört wer­den. Muss ich immer die*der Erste sein oder sollte ich den ande­ren mal den Vor­tritt las­sen. Sowas. Das kön­nen auch 3-Jäh­rige schon ler­nen, wenn man es rich­tig macht. Aber dafür sind eben die Erzieher*innen und natür­lich die Eltern zustän­dig und wenn die nichts machen, wach­sen da grade die Mobber*innen und Ellenbogenkämpfer*innen von mor­gen ran. Das nervt mich.
Ja, und auch, dass ich nicht aus­schla­fen kann dewegen.

***

Meine Bezugs­frau vom Hil­fe­Dings hatte fast 4 Wochen Urlaub, wir haben uns also echt lange nicht gese­hen. Da sich in Ham­burg aber grade die neue Corona-Vari­ante Omi­kron rasant ver­brei­tet, gibt es die Bitte von oben, so weit wie mög­lich auf direkte Tref­fen zu ver­zich­ten. Wir haben also “nur” tele­fo­niert heute, aber weil wir uns inzwi­schen so gut ken­nen und ver­ste­hen, hab ich damit kein Problem.

Nächste Woche kommt sie aller­dings aus­nahms­weise zu mir nach Hause, denn ich hab mich über­wun­den und sie um kon­krete, prak­ti­sche Hilfe gebe­ten.
Seit viel zu lan­ger Zeit sam­melt sich in mei­ner Woh­nung das Alt­pa­pier. Im Schränk­chen im Flur ste­hen immer noch uralte Zeit­schrif­ten. In der Küche gibt es inzwi­schen drei große Papier­tü­ten, in die ich die Schach­teln von Corn Flakes, Pizza, Fer­tig­es­sen, Zei­tun­gen, Kar­tons … so Zeug eben stopfe, bis sie fast plat­zen. In mei­nem Schlaf­zim­mer steht seit 2 Jah­ren eine blaue Ikea-Tasche voll mit Alt­pa­pier. Fast jeden Tag denke ich bei dem Anblick, dass ich doch jedes­mal, wenn ich raus gehe, ein Teil mit­neh­men könnte, dann wäre in ein paar Wochen alles weg. [Ich gehe nicht oft raus, “ein paar Wochen” ist schon rich­tig.] Aber ich mach es nicht. Ich gucke dran vor­bei, ich mach die Tür zum Schlaf­zim­mer zu, ich ver­dränge es. Dabei ist der nächste Alt­pa­pier­con­tai­ner nur 50 m ent­fernt.
Aber jetzt. Der erste Schritt war, mir ein­zu­ge­ste­hen, dass ich ein Pro­blem habe und es nicht alleine schaffe. Der zweite, mir zu erlau­ben, Frau R. um Hilfe zu bit­ten und der dritte, es auch zu tun. Der vierte und letzte wird sein, dass wir nächste Woche zusam­men zum Con­tai­ner gehen.

Das ist der Anfang. Sollte ich es tat­säch­lich schaf­fen, eine neue Woh­nung zu fin­den, muss ich hier gründ­lich auf­räu­men und aus­mis­ten. Davor graut mir soooo sehr. Denn die Sache mit dem Alt­pa­pier ist ein Sym­ptom. Dafür, dass ich keine Ände­run­gen will. Ich will, dass alles so bleibt. Ich will nichts los las­sen müs­sen, nichts neu ler­nen müs­sen. Ich hasse Neues, auch wenn ich ahne, dass es spä­ter schön ist.
Ich hab pani­sche Angst vor Ver­än­de­rung, weil mein Inne­res weiß, dass da nichts Gutes draus ent­steht. Ich hab Angst, dass ich nicht zurecht komme mit neuen Bedin­gun­gen, Gege­ben­hei­ten, Men­schen. Ich hab mir selbst so oft bewie­sen, dass das nicht so ist, aber die Angst bleibt und ist jedes Mal da. Ich will ja auch eigent­lich gar nicht umzie­hen, weil ich ja nicht weiß, wo ich lande und wie das wird und ob ich damit klar komme.
Ich hab auch eine nicht zu erklä­rende Angst vor Anstren­gung. Davor, dass nach dem ers­ten Schritt wei­tere kom­men und ich dafür keine Kraft mehr habe. Ich sitze wie das Kanin­chen vor sol­chen Sachen und denke nur “ich will das nicht ich will das nicht ich will das nicht”. Ich bin nicht mehr ratio­nal in dem Moment. 

Diese Ängste kenne ich seit frü­her Kind­heit, aber ich konnte das nie jeman­dem sagen. Wenn ich es doch gewagt habe, dann hieß es “stell dich doch nicht so an” (mein Lieb­lings­spruch) oder auch “so schwer ist das doch gar nicht”. Gerne gehört auch “du musst es nur ein­fach machen” oder “du musst es nur genug wol­len”. Da hat aber nie jemand nach­ge­fragt, warum ich eigent­lich Angst hab. Da hat nie­mand gesagt “ich ver­stehe dich und wir machen das zusam­men”. Ich war nicht nur mit dem alleine, was ich tun sollte, son­dern auch mit mei­ner Angst davor. Meine per­sön­li­chen Befind­lich­kei­ten wur­den sel­ten beach­tet, nicht ernst genom­men, es war keine Zeit dafür, kein Raum. Und über keine ein­zige der schwie­ri­gen Ver­än­de­run­gen in der Fami­lie (Schei­dung, Krank­hei­ten, Tod) wurde gere­det. Ist es ver­wun­der­lich, dass ich diese Ängste immer noch in mei­nem Ruck­sack trage?

(Puh. Das war nicht geplant, aber da wollte wohl was raus. Nun steht es da, ich lass das mal so.)

***

Was ich schrei­ben wollte - darum auch der Titel die­ses Bei­trags - war, dass meine Bezugs­frau für das Hil­fe­Dings bzw. die Behörde wie­der einen Hil­fe­plan für das neue Jahr erstel­len muss und mich bat, meine eige­nen SMART-Ziele zu for­mu­lie­ren. Das ist zwar nicht das Glei­che wie die berühm­ten und von mir schon lange ver­wei­ger­ten “Guten Vor­sätze” zum Jah­res­wech­sel, aber es ist sowas wie ein Plan und der kann ja eigent­lich nicht scha­den. Ich halte den hier mal fest, zum Nach­gu­cken spä­ter oder so.

SMART: Spe­ci­fic Mea­sura­ble Achie­va­ble Reasonable Time-bound

SMART-Ziele für 2022

  • Erar­bei­ten einer All­tags­struk­tur mit Hilfe eines Wochenplans
  • Teil­nahme an wei­te­ren Grup­pen­an­ge­bo­ten vom Hil­fe­Dings (Schwim­men, Früh­stück, evtl. Foto), um mehr soziale Kon­takte zu bekom­men und zu pflegen
  • Psy­chi­sche Sta­bi­li­tät fes­ti­gen durch Gesprä­che mit der Bezugs­frau und bei Bedarf mit der Therapeutin
  • Phy­si­sche Gesund­heit (Bewe­gung → Antrag auf Ergo­me­ter; Ortho­pä­die, Zähne, Gyn)
  • Woh­nungs­su­che und hof­fent­lich Umzug

Sieht okay aus, finde ich. Und was nicht geht, wird wei­ter ver­sucht oder geändert.

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