Die Feiertage sind vorbei, ich werde wieder von Kitakindergebrüll auf dem Hinterhofspielplatz geweckt. So schön.
An dieser Stelle mal wieder: doch, ich mag Kinder. Wirklich. Also so grundsätzlich. Ich weiß, ich schreibe hier oft, dass ich genervt bin von ihnen. Aber ich meine auch nicht alle damit. In dieser speziellen Kitagruppe sind es vermutlich auch nur 3 oder 4 Kids, die so laut kreischen und der Rest spielt einfach nur. Und eigentlich nerven mich auch viel mehr die Erwachsenen, die dabei stehen und die Kinder einfach machen lassen. Ich finde auch, dass Kinder sich austoben und Lärm machen dürfen sollen, aber genauso wichtig finde ich, dass sie Regeln des Miteinanders lernen. Respekt, Rücksicht, Teilen. Wie weit kann ich mich nach meinem Bedürfnis ausleben und wo überschreite ich die Grenzen meiner Mitmenschen. Wie laut kann ich sein, so dass die anderen auch noch gehört werden. Muss ich immer die*der Erste sein oder sollte ich den anderen mal den Vortritt lassen. Sowas. Das können auch 3-Jährige schon lernen, wenn man es richtig macht. Aber dafür sind eben die Erzieher*innen und natürlich die Eltern zuständig und wenn die nichts machen, wachsen da grade die Mobber*innen und Ellenbogenkämpfer*innen von morgen ran. Das nervt mich.
Ja, und auch, dass ich nicht ausschlafen kann dewegen.
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Meine Bezugsfrau vom HilfeDings hatte fast 4 Wochen Urlaub, wir haben uns also echt lange nicht gesehen. Da sich in Hamburg aber grade die neue Corona-Variante Omikron rasant verbreitet, gibt es die Bitte von oben, so weit wie möglich auf direkte Treffen zu verzichten. Wir haben also “nur” telefoniert heute, aber weil wir uns inzwischen so gut kennen und verstehen, hab ich damit kein Problem.
Nächste Woche kommt sie allerdings ausnahmsweise zu mir nach Hause, denn ich hab mich überwunden und sie um konkrete, praktische Hilfe gebeten.
Seit viel zu langer Zeit sammelt sich in meiner Wohnung das Altpapier. Im Schränkchen im Flur stehen immer noch uralte Zeitschriften. In der Küche gibt es inzwischen drei große Papiertüten, in die ich die Schachteln von Corn Flakes, Pizza, Fertigessen, Zeitungen, Kartons … so Zeug eben stopfe, bis sie fast platzen. In meinem Schlafzimmer steht seit 2 Jahren eine blaue Ikea-Tasche voll mit Altpapier. Fast jeden Tag denke ich bei dem Anblick, dass ich doch jedesmal, wenn ich raus gehe, ein Teil mitnehmen könnte, dann wäre in ein paar Wochen alles weg. [Ich gehe nicht oft raus, “ein paar Wochen” ist schon richtig.] Aber ich mach es nicht. Ich gucke dran vorbei, ich mach die Tür zum Schlafzimmer zu, ich verdränge es. Dabei ist der nächste Altpapiercontainer nur 50 m entfernt.
Aber jetzt. Der erste Schritt war, mir einzugestehen, dass ich ein Problem habe und es nicht alleine schaffe. Der zweite, mir zu erlauben, Frau R. um Hilfe zu bitten und der dritte, es auch zu tun. Der vierte und letzte wird sein, dass wir nächste Woche zusammen zum Container gehen.
Das ist der Anfang. Sollte ich es tatsächlich schaffen, eine neue Wohnung zu finden, muss ich hier gründlich aufräumen und ausmisten. Davor graut mir soooo sehr. Denn die Sache mit dem Altpapier ist ein Symptom. Dafür, dass ich keine Änderungen will. Ich will, dass alles so bleibt. Ich will nichts los lassen müssen, nichts neu lernen müssen. Ich hasse Neues, auch wenn ich ahne, dass es später schön ist.
Ich hab panische Angst vor Veränderung, weil mein Inneres weiß, dass da nichts Gutes draus entsteht. Ich hab Angst, dass ich nicht zurecht komme mit neuen Bedingungen, Gegebenheiten, Menschen. Ich hab mir selbst so oft bewiesen, dass das nicht so ist, aber die Angst bleibt und ist jedes Mal da. Ich will ja auch eigentlich gar nicht umziehen, weil ich ja nicht weiß, wo ich lande und wie das wird und ob ich damit klar komme.
Ich hab auch eine nicht zu erklärende Angst vor Anstrengung. Davor, dass nach dem ersten Schritt weitere kommen und ich dafür keine Kraft mehr habe. Ich sitze wie das Kaninchen vor solchen Sachen und denke nur “ich will das nicht ich will das nicht ich will das nicht”. Ich bin nicht mehr rational in dem Moment.
Diese Ängste kenne ich seit früher Kindheit, aber ich konnte das nie jemandem sagen. Wenn ich es doch gewagt habe, dann hieß es “stell dich doch nicht so an” (mein Lieblingsspruch) oder auch “so schwer ist das doch gar nicht”. Gerne gehört auch “du musst es nur einfach machen” oder “du musst es nur genug wollen”. Da hat aber nie jemand nachgefragt, warum ich eigentlich Angst hab. Da hat niemand gesagt “ich verstehe dich und wir machen das zusammen”. Ich war nicht nur mit dem alleine, was ich tun sollte, sondern auch mit meiner Angst davor. Meine persönlichen Befindlichkeiten wurden selten beachtet, nicht ernst genommen, es war keine Zeit dafür, kein Raum. Und über keine einzige der schwierigen Veränderungen in der Familie (Scheidung, Krankheiten, Tod) wurde geredet. Ist es verwunderlich, dass ich diese Ängste immer noch in meinem Rucksack trage?
(Puh. Das war nicht geplant, aber da wollte wohl was raus. Nun steht es da, ich lass das mal so.)
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Was ich schreiben wollte - darum auch der Titel dieses Beitrags - war, dass meine Bezugsfrau für das HilfeDings bzw. die Behörde wieder einen Hilfeplan für das neue Jahr erstellen muss und mich bat, meine eigenen SMART-Ziele zu formulieren. Das ist zwar nicht das Gleiche wie die berühmten und von mir schon lange verweigerten “Guten Vorsätze” zum Jahreswechsel, aber es ist sowas wie ein Plan und der kann ja eigentlich nicht schaden. Ich halte den hier mal fest, zum Nachgucken später oder so.
SMART: Specific Measurable Achievable Reasonable Time-bound
SMART-Ziele für 2022
- Erarbeiten einer Alltagsstruktur mit Hilfe eines Wochenplans
- Teilnahme an weiteren Gruppenangeboten vom HilfeDings (Schwimmen, Frühstück, evtl. Foto), um mehr soziale Kontakte zu bekommen und zu pflegen
- Psychische Stabilität festigen durch Gespräche mit der Bezugsfrau und bei Bedarf mit der Therapeutin
- Physische Gesundheit (Bewegung → Antrag auf Ergometer; Orthopädie, Zähne, Gyn)
- Wohnungssuche und hoffentlich Umzug
Sieht okay aus, finde ich. Und was nicht geht, wird weiter versucht oder geändert.
Yesss.
Möge es gelingen!