Eigentlich ist ja Igor derjenige, der abnehmen sollte und nicht ich. Naja, ich vielleicht auch, aber so ein kleiner schwarzer Hund wiegt ja echt ’ne Tonne und mehr, wenn der sich mal richtig breit macht auf und über mir. Kein Wunder, dass jeder Schritt schwer ist und jede Entscheidung, die zu treffen ist und dass ich müde bin und der Rücken weh tut und die Stimmung in den Keller rutscht. Hängt da an mir rum wie ein nasser Sack, der dumme Kerl. Keine Spannung in sich, aber wenn ich ihn abnehmen will, klammert er sich noch fester an mich.
Geh doch einfach wieder ins Körbchen, lieber Igor, und lass mich mein Zeug alleine machen. Ich krieg das schon alleine hin (oder auch nicht).
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Mein Fahrrad hat seit letzter Woche hinten einen Platten. Die netten Menschen im alternativen Radladen wollen 60 Euro haben dafür, dass sie mir einen neuen Schlauch einziehen. Ich würde ihnen das Geld gerne geben, die können es brauchen, aber ich hab es ja nicht übrig, das ist mehr als ein Wocheneinkauf.
Statt dessen könnte ich meinen Lieblingsnachbar fragen, der wegen und während Corona einen Fahrradladen übernommen hat, inzwischen aber wieder in seinem richtigen Beruf arbeitet, aber mir ja vielleicht einen Gefallen tun würde so als netter Nachbarin, die er schon so ewig kennt. Aber Igor will nicht, dass ich frage. Ich weiß nicht warum, es gibt keinen Grund, jedenfalls keinen vernünftigen. Ich muss doch nur eine Treppe nach oben warten, bis ich F. auf der Treppe höre und dann rausspringen und fragen. Ist total einfach und die Chancen stehen echt gut, dass er ja sagt und weniger Geld haben will als die anderen. Aber ich bitte ja nicht um Hilfe. Ich doch nicht. Steht mir ja nicht zu. Wenn ich es nicht selbst hinbekomme, hab ich halt Pech gehabt, dann muss ich es eben aushalten. Vielleicht geschieht ja ein Wunder und der Reifen heilt sich von alleine.
Ja, danke Igor, du mich auch.
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Der Nachbar von ganz oben zieht demnächst aus, hat er mir heute erzählt und gefragt, ob ich hoch will. 4. Stock, viel länger Sonne, niemand mehr oben drüber, die Geräusche von der Straße etwas weniger. Die gleiche Wohnung, nur spiegelverkehrt. Er zahlt genauso wenig wie ich, weil er noch länger hier wohnt als ich. Aber vierter Stock, das schaff ich nicht mehr mit den Beinen. Und wahrscheinlich wird sowieso die Miete erhöht und dann zahlt das Amt nicht mehr. Ach, was solls, ich halt das schon aus hier unten.
Wir Aushalterinnen wir, echt jetzt. 🤔
Schlimm, oder? Die gute Nachricht: wir können es noch ändern. Denke ich.