04-10-2022 Ich will nicht verzichten

Jedes­mal, wenn ich mit jeman­dem über mein Ess­pro­blem rede, bekomme ich Tipps zum abneh­men (als ob ich die nicht alle selbst ken­nen würde, aber das ist noch­mal ein ande­res Thema). So gut wie alle diese Tipps haben eins gemein­sam: sie beinhal­ten einen Ver­zicht.
Klei­nere Tel­ler benut­zen, damit es nach mehr aus­sieht und ich frü­her satt bin. Abends kein Brot mehr. Über­haupt Brot! Koh­le­hy­drate, iiih! Zwi­schen­durch Gemüse als Snack. Mar­ga­rine statt But­ter. Ein Glas Was­ser vor dem Essen. Nicht mehr dies und das auch nicht und schon gar keine Chips und Fer­tig­es­sen ist eh böse und eigent­lich sollte ich ein­fach kom­plett auf alles ver­zich­ten und dann die Frage, die alles über­trifft: “Hast du es schon­mal mit fas­ten versucht?”

Das Ding ist: ich muss schon immer ver­zich­ten, auf Essen und so vie­les andere, was der Mensch zum (über-)leben braucht. Ver­zich­ten hab ich von klein auf gelernt, das kann ich ver­dammt gut - ich kann dafür nicht gön­nen. Ande­ren schon, aber nicht mir. Jeden­falls nicht, ohne ein schlech­tes Gewis­sen zu haben. 

  • Ich kaufe drin­gend nötige Pull­over und ein Paar Turn­schuhe, weil meine alten total zer­fetzt sind. Aber ich habe ein schlech­tes Gewis­sen dabei: weil ich mir etwas gönne, obwohl doch noch ein Pull­over im Schrank hängt und ich mir doch letz­tes Jahr erst eine Jacke gekauft habe (nach 20 Jah­ren das erste Mal).
  • Ich bestelle mir eine Pizza, weil ich erle­digt nach Hause komme und keine Ener­gie Lust mehr habe zum Kochen. Das schlechte Gewis­sen sitzt mir dabei im Nacken: weil der Kühl­schrank doch erst halb leer ist, weil keine Lust zu haben nicht legi­tim ist, weil es zu viel Geld kostet.
  • Ich backe einen Kuchen, teile ihn in 8 Stü­cke und nehme mir jeden Tag eins zum Nach­tisch: mit schlech­tem Gewis­sen, weil Kuchen und Zucker und Fett und schlecht für die Gesundheit.
  • (Belie­big fortzuführen)

Ich höre sie reden alle: “Aber ohne Ver­zicht wirst du nicht abneh­men!” Aber ich will nicht ver­zich­ten. Ich will end­lich ler­nen, mir etwas zu gön­nen, ohne schlech­tes Gewis­sen. Ich meine damit nicht, jeden Tag eine Tüte Chips zu essen oder über­all Sahne dran zu tun, weil es so gut schmeckt. Ich meine auch nicht, drei Stü­cke Kuchen zu essen oder Fast Food, wann immer ich keine Lust zum kochen habe. Wahl- und maß­los Dinge in mich rein zu stop­fen, unge­sund zu kochen und auf alles zu pfei­fen.
Aber ich will nicht abneh­men, indem ich auf ganz vie­les kom­plett ver­zichte und ich will auch nicht dau­ernd ein schlech­tes Gewis­sen habe, wenn ich nicht ver­zichte. Und ich werde nicht anfan­gen, Sachen zu essen, die ich nicht mag, nur weil sie so gesund sind.

Es geht nicht darum, mein Ess­ver­hal­ten zu ändern, son­dern mein Ver­hält­nis zum Essen.

(Und ich wünschte, meine Gedan­ken wür­den nicht stän­dig um die­ses Thema kreisen.)

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