Gestern wollte ich eigentlich nur kurz die Wäsche abnehmen und das Geschirr wegräumen, um danach zu staubsaugen. Samstagsbeschäftigung – ungeliebt, aber notwendig in Abständen. Und dann räumte ich nicht nur Geschirr, sondern auch das Gestell weg und holte das Putzmittel und wenn ich das schon in der Hand hatte, könnte ich ja auch noch hier und da und die Fensterbänke hatten es echt dringend nötig und der Schreibtisch ja auch und überhaupt gab es da ja noch diese Papierstapel zum Aufräumen. Zum Glück konnte ich mich kurz vorm Fenster putzen stoppen, das wäre sonst womöglich noch ausgeartet.
Jedenfalls war am Ende einiges sauberer und ordentlicher als vorher und ich war am späten Nachmittag frisch geduscht und hatte ein flauschiges, frisch bezogenes Bett, in das ich mich nachts irgendwann kuschelte. Und zum Glück hatte ich auch die etwas dickere Seidendecke eingezogen, denn der Sturm tobte nur so ums Haus und ins Fenster und es war eisekalt. So kalt, dass ich mir sogar irgendwann eine Wärmflasche holte, weil die Füße einfach nicht warm werden wollten.
Leider ist das aber zu kalt für Schnee, den dürfen sich andere anschauen mit dem müssen sich andere rumärgern.
Über allem Putzen war ich dann so müde, dass ich den Abend auf dem Sofa verbracht habe, obwohl ich eigentlich hier schreiben wollte. Aber mich drängt ja nichts.
Das scheint mein Mantra für 2021 zu werden.
Am Donnerstag hatte ich in der Therapie erzählt, was ich hier vorher geschrieben hatte. Dass ich Igor vermisse und dass da dieses graue Loch ist, das ich nicht füllen kann. Dass mir die Kraft und die Freude fehlen und die Energie, die doch jetzt eigentlich da sein müsste – jetzt, wo ich so viel besser mit der Stimme in meinem Kopf umgehen kann.
“Das ist jetzt aber grade nicht die Zeit, um viel Energie und Farbe zu erwarten”, sagt die Therapeutin dazu. Weil es aufgrund der #aktuellenSituation sowieso schwer ist, weil wir alle müde und gefrustet sind und nicht wissen, wie es weiter geht. Weil das eben zu allem persönlichen noch dazu kommt. “Seien Sie geduldig, geben Sie sich Zeit”, meint sie. Und natürlich hat sie Recht damit, ich dachte es am Morgen schon: ich bin wieder viel zu ungeduldig mit mir.
Ich hab so lange mit der Stimme gelebt - selbst wenn ich jetzt schon besser damit umgehen kann, ist sie ja nicht auf einmal komplett weg. Jedes Mal, wenn sie sich meldet, muss ich innerlich aktiv etwas dagegen setzen. Das will geübt werden, das geht nicht von jetzt auf gleich und immer.
Wenn ich einen komplizierten Beinbruch habe, der mich lange Zeit lahm legt, kann ich auch keinen Marathon laufen, sobald der Gips ab ist. Ich muss mit Babyschritten laufen lernen. Ich muss hinfallen und wieder aufstehen und mir bewußt werden über meine neuen Fähigkeiten und sie so lange wiederholen, bis ich von alleine gehen kann.
Die Erkenntnis macht auch diesmal kein Grau weg, aber das Grau fühlt sich wenigstens freundlicher und weicher an. Das ist doch auch schon was.
Einer, dem die #aktuelleSituation auch zu schaffen macht, ist mein verehrter Herr Buddenbohm. Der kann das aber in schönere Worte fassen.
Ich durchschaue mich in bescheidener Weisheit selbst, ich erkenne immerhin, dass das nur eine Übersprungshandlung ist. Es ist die Vermeidung der großen Leere. Ich beschließe, die Leere auszuhalten. Weg mit all den Suchtmitteln, die Bücher weg, die Musik weg, die Schokolade weg, die Nüsschen weg.
https://www.buddenbohm-und-soehne.de/2021/02/04/der-groove/
Ich setze mich entschlossen aufs Sofa, ich bin einfach nur, so geht das auch. Ich sitze und atme tief, ich schlafe sofort ein. Das ist nämlich die Wahrheit, denke ich mir danach, also nach dem extended Nickerchen, im Grunde ist diese unfassbare Müdigkeit die einzige Wahrheit im Moment und den Groove suche ich nur noch, um mich nach seinem Rhythmus durch den Tag zu treiben wie einen lahmen Gaul, der schon lange nicht mehr will.