Im Traum heute Morgen irgendwann steckte meine Tochter ein Blatt Papier in einen Umschlag und meinte: “Träume gehören hier rein”. Ich nahm es wieder raus mit den Worten “ich hab keinen Traum mehr” und zerriss das Blatt und irgendwie liegt heute die ganze Zeit so eine kleine Traurigkeit auf mir.
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Die letze depressive Phase war ein langer, grauer Graben, gefüllt mit allen blöden -losigkeiten, die der dumme, alte Schwarze Hund nur finden konnte - aber anscheinend ist sie seit ein paar Tagen wieder vorbei, so wie es ja immer wieder vorbei geht.
Während des Telefonats letzten Freitag mit Frau R. vom HilfeDings ging mir ein noch unausgereifter Gedanke durch den Kopf: was, wenn ich einfach keine Energie mehr dafür verschwende, gegen die Dysthymie zu kämpfen, sondern sie einfach kommen und gehen lasse, weil sie das doch sowieso tut. Dann kann ich die Kraft sparen und hab vielleicht in den guten Zeiten mehr davon. (Da mal weiter drüber nachdenken.)
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Heute hat meine Depression offiziellen 10. Geburtstag. “Happy Igorday” nannte es Freundin D. vorhin im Chat und ich grinse etwas schief dabei, weil der Name zwar witzig ist, mich die Sache an sich aber nach wie vor traurig und wütend macht. Und depressiv irgendwie, das auch.
Am 30.01.2012 beantragte ich im Job Urlaub für die Woche darauf und fing gleichzeitig an, meinen Arbeitsplatz aufzuräumen, weil ich ahnte, dass ich nicht mehr zurück kommen würde. Heute vor 10 Jahren saß ich dann in der Praxis meiner Hausärztin und konnte auf ihre Frage “wie geht es Ihnen?” nur noch heulen. Sie drückte mir wortlos eine Packung Taschentücher in die Hand und wartete einfach, bis ich wieder halbwegs reden konnte. Ihre nächste Frage lautete dann: “Wie lange soll ich Sie aus dem Verkehr ziehen? Sind 10 Tage erstmal okay?” Ich bin ihr auf ewig dankbar dafür, dass sie sofort gesehen hat, was los war und dass sie mich so ernst genommen hat.
Dankbar auch dafür, dass das Kind endlich einen Namen hatte und dass damit von professioneller Seite bestätigt wurde, was ich so viele Jahre vor mir und der Außenwelt versteckt hatte. Denn die Depression begann ja schon viel früher - einige Symptome begleiten mich bereits seit der Kindheit und ich erinnere mich an diverse schwarze Löcher. Aber jetzt stand es da: ich hatte eine schwere Depression, die behandelt werden musste. So schlimm das war, war es auch eine Erleichterung. Ich hatte mir das alles nicht eingebildet, ich war nicht einfach nur zu unfähig, schwach oder blöd: ich war wirklich richtig krank. Und ich weiß heute, dass ich viel zu lange gewartet hatte damit, mir Hilfe zu holen. Das ist sicher mit ein Grund, warum ich auch 10 Jahre danach noch immer nicht arbeitsfähig bin und die Krankheit chronisch geworden ist.
Heute vor 10 Jahren hat sich mein Leben komplett umgedreht, fast nichts ist mehr so, wie es davor war. Ich hab es hier oft genug geschrieben: nein, ich bin absolut nicht glücklich darüber. Andererseits hab ich so viel gelernt über mich, was ohne die Therapien sicher nicht passiert wäre. Ob es das wert war, darüber mag ich nicht nachdenken. Aber jetzt steh ich eben hier, ob ich will oder nicht und muss damit zurecht kommen, dass mich Igor weiterhin begleitet.
Also: Happy Official Birthday, du seltsamer kleiner Hund. Ich hab keine Blumen für dich, statt dessen aber einen Wunsch: es wäre echt schön, wenn du mich nicht dauernd so aus dem Nichts und hinterrücks ohne richtigen Grund überfallen würdest. Kriegst du das hin? Und geh mal wieder baden, du stinkst riechst irgendwie ziemlich muffig.