Stell die Musik an, Ulrike. Es tut dir gut.
Zu spät ins Bett, viel zu spät wieder auf, da ist der halbe Tag vorbei und ich hab es nicht mitgekriegt. Das ist nicht gut, auch nicht, dass ich dann zu wenig Tageslicht bekomme. Irgendein Rhythmus muss dann doch sein, am besten einer, der das Aufstehen und eine bestimmte Uhrzeit zum anlehnen hat.
Komische Träume, vom Impfen gegen die Seuche in der vollen Praxis der HÄ und ich hab keine Maske auf. Von Landschaften, die gleichzeitig vertraut und fremd sind. Von meinem Kind als Kind, die einfach nie macht, was ich ihr sage. Aufgewacht, weil ich in real laut mit ihr geschimpft hab.
Vorgestern hatte ich die Mail an die Therapeutin schon halb geschrieben und dann dachte ich, Quatsch, du gehst da hin. Der Schnupfen ist nach 2einhalb Tagen sowieso meistens wieder weg und nochmal 2 Wochen nach der langen Weihnachtspause kann ich nicht warten. Wie richtig das war.
So nach und nach werden die Gedanken zu Erkentnissen und zu Wahrheiten, die ich leben kann.
Ich möchte immer noch am allerdringensten frei sein. Frei zu denken, zu sagen, zu leben, zu fühlen, wie ich das für richtig halte. Und niemand hat das Recht, das zu bewerten oder mir Vorschriften zu machen, weil das vielleicht in deren Sicht nicht passt. Solange ich niemanden verletze mit meinem Verhalten, ist alles gut.
Ich darf Fehler machen. Ich muss nicht verzeihen. Ich muss mich nicht rechtfertigen für meine Gedanken und Gefühle. Ich muss mich auch nicht vergleichen mit anderen, denn kein Leben ist mit einem anderen zu vergleichen, selbst wenn welche aus der gleichen Familie kommen und darum gleiche Erlebnisse hatten.
Wenn die alte Stimme sagt “stell dich nicht so an”, dann weil es vermutlich einen Grund gibt, dass ich mich “anstelle”. Weil sich anzustellen bedeutet, etwas nicht zu wollen, was jemand anderes für mich will oder umgedreht. Weil sich anzustellen bedeutet, etwas nicht einfach hinzunehmen. Weil sich anzustellen bedeutet, dass ich da jemandem Mühe mache, obwohl ich vielleicht jedes Recht dazu hatte und habe.
Diese alte Stimme war dazu da, mich klein zu halten, meine Bedürfnisse klein zu reden, mich zu kontrollieren. Weil ich unbequem war, weil ich auch gesehen werden wollte, weil meine Wut über Ungerechtigkeiten schwer auszuhalten war.
Wenn sie jetzt also wieder einmal versucht, mich klein zu reden, dann sollte ich genauer hinschauen. Gibt es da überhaupt noch jemanden, für den ich unbequem bin? Oder bin ich es vielleicht selbst, weil es “leichter” ist, mich klein zu machen, als aufrecht neue Wege zu gehen? Oder ist da irgendeine Wut in mir, die ich nicht aussprechen kann und darum lieber gleich unterdrücke? Was fällt mir grade schwer und warum kann ich mir das nicht erlauben?
Igor hat seinen Platz gefunden: der liegt die meiste Zeit im Nebenzimmer in seinem Körbchen und schläft. Er sieht mich und ich weiß, dass er da ist, aber ich brauche ihn nur noch selten. Für die alte Stimme wird sich da auch irgendwann ein Eckchen finden lassen, denke ich.