08-01-2021 Was will sie mir sagen?

Stell die Musik an, Ulrike. Es tut dir gut.


Zu spät ins Bett, viel zu spät wie­der auf, da ist der halbe Tag vor­bei und ich hab es nicht mit­ge­kriegt. Das ist nicht gut, auch nicht, dass ich dann zu wenig Tages­licht bekomme. Irgend­ein Rhyth­mus muss dann doch sein, am bes­ten einer, der das Auf­ste­hen und eine bestimmte Uhr­zeit zum anleh­nen hat.


Komi­sche Träume, vom Imp­fen gegen die Seu­che in der vol­len Pra­xis der HÄ und ich hab keine Maske auf. Von Land­schaf­ten, die gleich­zei­tig ver­traut und fremd sind. Von mei­nem Kind als Kind, die ein­fach nie macht, was ich ihr sage. Auf­ge­wacht, weil ich in real laut mit ihr geschimpft hab.


Vor­ges­tern hatte ich die Mail an die The­ra­peu­tin schon halb geschrie­ben und dann dachte ich, Quatsch, du gehst da hin. Der Schnup­fen ist nach 2einhalb Tagen sowieso meis­tens wie­der weg und noch­mal 2 Wochen nach der lan­gen Weih­nachts­pause kann ich nicht war­ten. Wie rich­tig das war.


So nach und nach wer­den die Gedan­ken zu Erkent­nis­sen und zu Wahr­hei­ten, die ich leben kann.
Ich möchte immer noch am aller­drin­gens­ten frei sein. Frei zu den­ken, zu sagen, zu leben, zu füh­len, wie ich das für rich­tig halte. Und nie­mand hat das Recht, das zu bewer­ten oder mir Vor­schrif­ten zu machen, weil das viel­leicht in deren Sicht nicht passt. Solange ich nie­man­den ver­letze mit mei­nem Ver­hal­ten, ist alles gut.
Ich darf Feh­ler machen. Ich muss nicht ver­zei­hen. Ich muss mich nicht recht­fer­ti­gen für meine Gedan­ken und Gefühle. Ich muss mich auch nicht ver­glei­chen mit ande­ren, denn kein Leben ist mit einem ande­ren zu ver­glei­chen, selbst wenn wel­che aus der glei­chen Fami­lie kom­men und darum glei­che Erleb­nisse hatten. 

Wenn die alte Stimme sagt “stell dich nicht so an”, dann weil es ver­mut­lich einen Grund gibt, dass ich mich “anstelle”. Weil sich anzu­stel­len bedeu­tet, etwas nicht zu wol­len, was jemand ande­res für mich will oder umge­dreht. Weil sich anzu­stel­len bedeu­tet, etwas nicht ein­fach hin­zu­neh­men. Weil sich anzu­stel­len bedeu­tet, dass ich da jeman­dem Mühe mache, obwohl ich viel­leicht jedes Recht dazu hatte und habe.
Diese alte Stimme war dazu da, mich klein zu hal­ten, meine Bedürf­nisse klein zu reden, mich zu kon­trol­lie­ren. Weil ich unbe­quem war, weil ich auch gese­hen wer­den wollte, weil meine Wut über Unge­rech­tig­kei­ten schwer aus­zu­hal­ten war.
Wenn sie jetzt also wie­der ein­mal ver­sucht, mich klein zu reden, dann sollte ich genauer hin­schauen. Gibt es da über­haupt noch jeman­den, für den ich unbe­quem bin? Oder bin ich es viel­leicht selbst, weil es “leich­ter” ist, mich klein zu machen, als auf­recht neue Wege zu gehen? Oder ist da irgend­eine Wut in mir, die ich nicht aus­spre­chen kann und darum lie­ber gleich unter­drü­cke? Was fällt mir grade schwer und warum kann ich mir das nicht erlauben?


Igor hat sei­nen Platz gefun­den: der liegt die meiste Zeit im Neben­zim­mer in sei­nem Körb­chen und schläft. Er sieht mich und ich weiß, dass er da ist, aber ich brau­che ihn nur noch sel­ten. Für die alte Stimme wird sich da auch irgend­wann ein Eck­chen fin­den las­sen, denke ich.