Ich mag das ja sehr, wenn ich im mollig warmen Bett liege und von draußen kommt diese winterkalte Luft ins Zimmer. Ich kann nur wach nicht gut liegen bleiben, da fehlt alles mögliche. Eine Rückenstütze, um lesen zu können. Eine Abstellfläche für den Kaffee. Überhaupt eine gemütlichere Atmosphäre im Zimmer, das ich seit dem Auszug der Tochter ja nur zum Schlafen nutze. Ich könnte da mal drüber nachdenken, wenn ich sowieso an der Entscheidung bin, ob ich umziehe oder lieber renoviere. Falls es das zweite wird, hab ich da schon ein paar Ideen im Kopf.
(Farbe! Ein schönes Meerblau an die Wand. Vielleicht ein Streifen Tapete oder andere Farbe. Vorhänge in dunkelblau. Bilder und einen Teppich vors Bett. Und vielleicht dreh ich das Bett einfach um 90°?)
Auf Twitter bittet Einer darum, für die Schwierigkeiten, mit der #aktuellenSituation umzugehen, nicht den Begriff “Corona-Depression” zu verwenden und wird von allen Seiten angegriffen, selbst von anderen depressiven Menschen. Dabei geht es nicht darum, jemandem eine psychische Krankheit klein zu reden oder abzusprechen, aber es ist nunmal nicht jede Verstimmung eine Depression und das muss wirklich dringend in alle Köpfe rein.
Oder wie ein Anderer schreibt:
“Genauso wie Schlappheit an dunklen Wintertagen keine „Winter-Depression“ ist, ist Antriebslosigkeit wegen Ausgangsbeschränkungen keine „Corona-Depression“. Indem durch Begriffe wie Winter-/Corona-Depression jetzt auch tatsächlich alltägliche oder saisonale Verstimmungen als Depression gelabelt werden, macht es das Menschen mit Depressionen nur schwerer, auf Akzeptanz in der Bevölkerung zu stoßen. Denn: ich werde auch dann noch meine Depression haben, wenn Corona irgendwann vorbei ist und Menschen, die jetzt von ihrer „Corona-Depression“ reden, wieder shoppen und ins Kino gehen können, also „alles wieder gut“ ist.”
Ich hab schon im Frühjahr geschrieben, dass ich mich ärgere, weil wir schon seit Jahren laut sind und darüber berichten, dass an allen Ecken und Enden Therapeut:innen und Klinikplätze fehlen und das keinen interessiert und dass immer noch so viele Leute denken, dass eine Depression mit Schokolade geheilt werden kann und wir uns ja nur mal ein bißchen zusammen reißen müssten, aber jetzt ist es plötzlich völlig okay, depressiv zu sein angesichts der Pandemie und der Überforderung und weil ja die sozialen Kontakte eingeschränkt werden sollen und da muss man doch was tun!
Das ist, als ob du in einer langen Schlange an der einzigen offenen Kasse wartest, obwohl du nicht mehr stehen kannst und aufs Klo musst oder Platzangst hast und der hinter dir immer näher rückt und dann macht eine neue Kasse auf und da rennen sofort die hin, die als allerletzte in der Reihe standen und tun so, als hätten sie jedes Recht der Welt dazu und du bist wieder der Depp.
Ich verstehe gut, dass die Situation für ganz viele Menschen schwierig ist, aber diese Überforderung und die Ängste jetzt alle einfach “Depression” zu nennen, ist für alle Seiten falsch.
Und irgendwas anderes war noch, was mich ärgert, aber ich habs vergessen. War es der orangene Typ aus den USA, der das Weiße Haus unbedingt noch mit Dreck bewerfen muss, bevor er da rausgeschmissen wird? Oder die Bullen, die alle Coronaleugner-Märsche wohlwollend begleiten, aber wenn Linke auf die Straße gehen, sofort mit aller Gewalt drauf hauen müssen wie heute wiedermal in Berlin? Oder waren es die ganzen weißen alten Männer und Frauen, die sich darüber lustig machen, dass der Duden jetzt in seiner Online-Ausgabe gendert (warum eigentlich nur da?) und wir doch echt besseres zu tun hätten, als die Frauen endlich überall sichtbar zu machen? Oder dass in meinem eigentlich geliebten sozialen Medium an so vielen Stellen ein sehr rauher Ton herrscht und ich wiedermal oft keine Lust mehr hab, überhaupt noch zu lesen oder zu schreiben dort?
Ich bin grade sehr müde, merke ich. Da passiert viel in mir drin, womit ich mich beschäftigen möchte und das ist gut so. Aber dann guck ich wieder raus aus meinem Schneckenhäuschen und sehe die Welt brennen und möchte mich weinend wieder verziehen und weiß doch, dass das auch irgendwie nicht gut wäre. Es strengt an.
(Nein, lieber Igor, geh zurück auf deinen Platz, ich komm schon klar.)
Ich hätte gerne wieder einen Ergometer für zuhause. Mein Rücken tut weh und meine Füße mögen so gar nicht gehen, aber ich brauche Bewegung, ich roste komplett ein. Das zuhause-bleiben macht das alles nicht besser, im Gegenteil.
Yoga wäre bestimmt toll und heilsam und bestens geeignet wegen Achtsamkeit und so. Ich hab das noch nie gemacht, darum will ich das nicht alleine anfangen. Aber ich stell es mir schön vor, das gleich morgens zu machen und damit in den Tag zu starten und super geerdet zu sein und hups, hab ich da grade so Instagram-mäßige Bilder vor Augen?
Wie auch immer, es gibt ja sowieso 1000 Gründe *), warum das nicht geht bei mir oder schwierig ist oder so. Ich muss was anderes finden oder einen anderen Weg.
*) Zum Beispiel: Ich schlafe nackt, d.h., ich muss nach dem Aufstehen erst aufs Klo, mir dann was anziehen fürs Yoga, mich danach aber wieder ausziehen für die Dusche und dann wieder anziehen. Mein Inneres sagt “nein” und “viel zu kompliziert” und “ich brauch sowieso vor jeder Aktivität erstmal einen Kaffee!”, ziemlich vehement. So funktioniert das also nicht. Ist so.
Außerdem: Übungen im Liegen gehen gar nicht. Ich kann nicht gut auf dem Rücken liegen und schon gar nicht auf dem Boden und mein Bett ist zu weich dafür und überhaupt sind “Turnübungen” im Liegen zum weglaufen. Irgendwas muss da im Sportunterricht früher passiert sein, ich kriege Panik schon beim dran denken. In Malente hatte ich eine Panikattacke mit Heulkrampf in der Tür zur Sporthalle, aus - für mich - heiterem Himmel. Keine Ahnung, was das ist.
Und obwohl ich mich immer gerne bewegt habe, hab ich eine ganz schlimme innerliche Abwehr / Abscheu gegen “Übungen”. Ich kann das nicht alleine, es geht nicht, auch wenn ich verstehe, dass es mir gut tun würde. Es scheitert nicht am Wollen.
Stell ich mich an? Nein. Etwas in mir blockiert, es wird einen Grund geben, den muss ich finden.
Gelesen: “Keine Zeit für Helden” bei Solminore: Mal ein anderer Blick auf die Pandemie.
Das Virus zwingt zur Feigheit. Wer feige ist, ist gut; wer sich selbst schützt, schützt andere. Feigheit ist die neue Leittugend, das neue Heldentum. Aber was für alberne Helden bringt es hervor? Todesverachtung heißt unter den Regeln, die das Virus aufstellt, Menschenverachtung, und wer mutig ist, rettet nicht, sondern gefährdet andere. Wir würden uns gerne mutig als Teil der Lösung verstehen, dabei müssen wir lernen, uns als Teil des Problems zu sehen. Das läuft konträr zu all unseren Lieblingserzählungen, ist langweilig und empörend, verspottet die Intuition und kehrt alle Werte, die wir rund um Gefahr und Gefährlichkeit errichtet haben, um. Wir sind keine Helden, wir sind selbst die Gefahr. Wir selbst sind das Böse, seine Träger, seine Knechte.
https://askionkataskion.wordpress.com/2021/01/07/keine-zeit-fuer-helden/
Ich bin sehr bei dir, wenn es um den inflationär genutzten Begriff “Depression” geht. Gleiches gilt übrigens auch fürs “Triggern” und fürs “Traumatisieren”. Wie oft ich schon auf Twitter las, dass Kinder durchs Maskentragen traumatisiert würden. Wenn eine Maske zum Trauma für ein Kind wird, sind die erziehenden Eltern das eigentliche Problem.
Das nervt mich alles sehr, weil es halt die Dramatik der Situation von “echten” Betroffenen abwertet und mit den Alltagswehwehchen und -problemchen gleichsetzt.
Und es nervt mich, dass es mich nervt.
Aber ich mag es sehr, deinen Blog zu verfolgen.
Ja, da gibt es so einige Begriffe, die von eigentlich nicht Betroffenen vereinnahmt und damit verfälscht werden. Vielleicht auch, weil immer alles noch gesteigert werden muss und ein einfaches “ich komme mit dem allem nicht klar” nicht reicht, um gehört und ernst genommen zu werden? Wenn wir Depressiven schon nicht ernst genommen werden? Aber das ist nur der Versuch, eine Erklärung zu finden - und keineswegs eine Entschuldigung. Sprache ist so wichtig und das einzige Mittel, das wir haben, um uns wirklich zu verstehen.
Ach, da gäb es noch so viel zu schreiben.
Aber ich mag, dass du mich verfolgen magst 🙂
Ach ja … (((ich fühle dich/verstehe deine Gedanken.)))
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