11-12-2022 Höhle für Winterschlaf gesucht

Wie klingt eigent­lich der Dezem­ber auf der ande­ren Seite der Welt, da, wo jetzt Som­mer ist? Ich muss mal meine große Schwes­ter fra­gen. Hier klingt er jeden­falls nach Kälte und End­zeit­stim­mung, nach “lasst mich alle in Ruhe” und wo finde ich eigent­lich die Anzei­gen für die Winterschlafhöhlen?

Es hat ein klei­nes biß­chen geschneit vor­ges­tern und dank der Kälte nicht gleich wie­der getaut wie sonst. Jetzt liegt es da, das komi­sche kalte weiße Zeug, aber in so gerin­ger Menge, dass es bei wei­tem nicht aus­reicht, um die häß­li­che Bau­stelle gegen­über zu ver­ste­cken und schon gar nicht, um die ganze Welt zu ver­hül­len. Es ist nur grade so viel, dass ich auch von drin­nen nicht ver­gesse, dass es Dezem­ber ist.
Dafür wäre es jetzt gut, wenn ich die­ses Weih­nachts­ding könnte. Dann würde ich jetzt Ker­zen anzün­den und es würde nach Tan­nen­zwei­gen rie­chen und der Back­ofen wäre im Dau­er­be­trieb und würde die Woh­nung mit­hei­zen und noch mehr guten Duft ver­brei­ten mit den Kind­heits­kek­sen. Dann wäre mir viel­leicht warm. So sitze ich mit dicker Strick­ja­cke und dop­pel­ten Socken am Schreib­tisch und friere doch, außen und innen.

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In der letz­ten Mitt­wochs­gruppe spra­chen wir dar­über, wie es ist, wenn wir kein Feed­back bekom­men für das, was wir tun und wer wir sind. Wie insta­bil Selbst­ver­trauen und Selbst­wert­ge­fühl sind, wenn da kein Gegen­über ist, das uns einen Zusam­men­hang bie­tet.
Wie kann ich mich auf mein eige­nes Gefühl ver­las­sen, wenn ich kei­nen Ver­gleich habe? Geht es ande­ren auch so wie mir oder bin ich alleine? Sind 25x25 Meter Schwim­men viel oder eher nicht, hab ich zurecht Mus­kel­ka­ter oder stell ich mich an? Kom­men ande­ren Men­schen auch die Trä­nen, wenn sie meine Gedichte lesen? Kann ich wirk­lich, was ich kann oder rede ich mir das nur ein? Bin nur ich so ambi­va­lent in mei­nen Wün­schen und Träu­men oder sind es wirk­lich fast alle ande­ren auch, wie die The­ra­peu­tin sagte? 

Ich brau­che einen Spie­gel, um mich mei­ner Exis­tenz zu ver­si­chern, um mich sicher zu füh­len mit mir und in Ver­bin­dung zu ande­ren. Ohne Spie­gel bin ich allein. Wenn ich mich in mei­ner Scheu vor frem­den Men­schen zurück­ziehe von den Men­schen, nehme ich mir selbst die Mög­lich­keit, gespie­gelt zu wer­den. Wenn ich hier im Blog die Kom­men­tare aus­stelle, weil ich keine Mit­leids­be­kun­dun­gen will, nehme ich mir die Chance auf Feed­back und Aus­tausch. Wenn ich mich nicht zeige (und öffne), werde ich nicht gesehen.

(Ab jetzt blei­ben die Kom­men­tare hier offen.)

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Ich brau­che etwas zu tun. Ich kann nicht nur hier sit­zen und irgend­wel­ches sinn­lo­ses Zeug machen, nur um mich zu beschäf­ti­gen, bis ich wie­der schla­fen gehen kann. Ich möchte etwas “pro­du­zie­ren”, das einen Wert hat. Kei­nen finan­zi­el­len Wert im Sinn von bezahlt wer­den (das geht sowieso nur ent­we­der schwarz oder es wird wie­der abge­zo­gen vom H4), aber auch nicht nur ideell. Irgend­was hand­fes­tes, das man sehen und benut­zen kann. Und für das ich Aner­ken­nung bekomme.
(Viel­leicht schreib ich das mal auf Twit­ter. Also wenn es mir irgend­wann mal gut genug geht, um auf­schrei­ben zu kön­nen, was ich kann. Um mir selbst zu glau­ben, dass ich was kann. Ich weiß ja nicht, ob ich was kann, ich hab ja kein Feedback.)

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Und trotz­dem: am liebs­ten würde ich schla­fen bis zum nächs­ten Frühjahr.

4 Kommentare

  1. Meine Liebe, ich fühle dich, ich fühle mit dir. Was auch immer ich hier schrei­ben würde, dass du dies und das kannst, und zwar ganz wun­der­bar: Wür­dest du es mir glau­ben, obwohl du es dir nicht glau­ben kannst? Wie sehr wünschte ich mir, dass du es tief innen drin end­lich weißt: Wie wert­voll du bist.

    “Das gemischte #PGEx­plai­ning-Post­kar­ten­set ist ein güns­ti­ges Geschenk, das zehn­mal Freude macht, zehn­mal bestärkt, zehn­mal zum Lachen bringt, zehn­mal sagt: Du bil­dest dir das nicht ein, und du bist damit nicht allein,” schrieb neu­lich Frau Frohmann. 

    Mir gefällt vor allem der letzte Satz. Wir sind nicht allein mit unse­rem So-Sein und wir bil­den es uns auch nicht ein. Und das So-Sein, das ist genau das, was es ist: So zu sein mit all dem, was drückt, was weh tut, was uns das Gefühl gibt, wert­los zu sein, undundund … 

    Ich bin auch immer froh, wenn der Dezem­ber vor­bei ist.

    Ach, könnte ich dir doch diese Last bloß abnehmen.

    1. Meine Liebe, ich will gar nicht, dass du mir die Last abnimmst. Nie­mand soll die tra­gen, es ist doch meine. <3

      Und zum ande­ren: es geht nicht darum, ob ich wert­voll bin oder nicht, son­dern darum, mich ein­zu­schät­zen und auch mal zu ver­glei­chen (ohne zu wer­ten!). Ich mag kein Kon­kur­renz­den­ken, kei­nen Wett­kampf, aber ich will einen Platz haben zwi­schen allen ande­ren. Theo­re­tisch weiß ich auch, dass ich nicht alleine bin, aber wenn ich mich nicht öffne, sehe ich die ande­ren nicht. Und wenn sie nicht mit mir reden, auch nicht. 

      Damit meine ich aus­drück­lich nicht dich, denn wir reden ja. Und ja, natür­lich glaube ich dir, aber Aus­sa­gen von Men­schen, die mich mit dem Her­zen sehen, sind sowieso aus­sen vor. Und so wich­tig die Aner­ken­nung und Zunei­gung von ihnen (dir, der Toch­ter …) ist: ihr seid ein­fach zu sub­jek­tiv und manch­mal reicht das nicht.

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