Schwierige Nächte. Zu spät, zu kurz, zu unruhig. Immer öfter kommt das Thema Corona in den Träumen vor.
Die Tage sind okay. “Nicht schlecht” ist zwar nicht gleich “gut”, aber ich versuche, mit Selbstfürsorge, Arbeit und ein paar direkten und virtuellen Kontakten Fallgruben zu vermeiden und das Level zu halten. Solange ich das Draußen ignoriere, klappt das auch. Das geht nur leider nicht immer.
Nun also doch wieder in das zurück, was hierzulande “Lockdown” genannt wird. Natürlich erst ab Mittwoch, damit in den verbliebenen zwei Tagen noch schnell massenweise Geschenke eingekauft werden können. Weihnachten muss ja schließlich sein, ist es doch das liebste Fest von allen - sogar vor allem von denen, denen sonst alles mit Kirche, Glauben und Nächstenliebe am Allerwertesten vorbei geht. Gefeiert werden muss auch unbedingt im Kreis der Familie, womit aber natürlich nur die biologische gemeint ist, nicht etwa eine selbst gewählte oder nicht ordentlich verheiratete.
Wie mich das alles nur noch ankotzt. Jedes Jahr das gleiche scheinheilige Getue, aber diesmal ist es noch deutlicher als sonst.
Ich verstehe wirklich, dass viele Menschen keine Lust mehr haben auf Pandemie, Quarantäne, Shutdown und alles. Das dauert nun schon so lange und kein Ende ist in Sicht. Es tut mir von Herzen weh zu sehen, wie viele Existenzen kaputt gehen, weil nicht gearbeitet werden darf. Ich seh es ja bei der Tochter, die mit aller Kraft versucht, positiv zu bleiben und oft nur noch bitter lachen kann. Ich verstehe auf irgendeine Art sogar den Bekannten, der sich fragt, warum er all die Maßnahmen in Kauf nehmen muss, wenn doch über 80% der Toten alt sind und es ihn darum doch gar nicht betrifft und er trotzdem nach 16 Jahren Selbständigkeit und harter Arbeit plötzlich ohne Einkommen da steht und dann noch nichtmal seinen Vater zu dessen achzigsten Geburtstag besuchen darf, weil der in einem anderen Bundesland wohnt. Ich stimme mit ihm nicht überein, aber ich kann seine Wut verstehen. Und ich bedauere zutiefst alle, die jetzt noch viel mehr arbeiten und leisten müssen als sie sowieso immer schon tun und die auch jetzt nicht die Anerkennung, Unterstürzung und Entlohnung bekommen, die sie verdient haben. Corona macht sichtbar, an welchen Stellen die Politik und die Gesellschaft in den letzten Jahr(zehnt)en so richtig versagt hat.
Es käme für mich niemals in Frage, mich gegen die verordneten Maßnahmen zu stellen, zumal die wirklich leicht einzuhalten sind. Aber ich verstehe alle, die mit der Kraft am Ende sind. Und versuche mich diesmal nicht dafür zu schämen, dass ich mit dem zwar wenigen, aber sicheren Geld auf dem Konto und ohne Job und zu betreuende Angehörige sehr privilegiert bin. Ja, im Verhältnis geht es mir fast gut, könnte man sagen. Also, was die äußeren Seiten der #aktuellenSituation angeht.
Innen drin hab ich Angst. Davor, was das mit uns allen macht. Was sich gesellschaftlich verändert, wie sich Menschen in ihrem Denken und Fühlen verändern. Davor, dass die Welt noch Ich-bezogener, rücksichtsloser, härter wird. Dass so viele Schwache, Arme, Kranke … abgehängt und ausgegrenzt werden. Ich dachte nicht, dass ich so eine immense Veränderung noch erleben würde und sie macht mir Angst: für mich selbst, aber auch für meinen Enkel, der damit noch viel länger zurecht kommen muss. Ich hatte gehofft, dass wir - meine Generation - ihm eine bessere Welt überreichen könnten.
Nein, ich werde nie und ich weigere mich auch zu verstehen, wie mensch nur an sich selbst und das eigene Wohl denken kann. Wie mensch leben kann auf Kosten anderer und ohne auch nur einen Gedanken an diese zu verschwenden. Ich muss als Einzelne nicht die Verantwortung für alle und alles übernehmen. Ich kann nicht machen, dass es allen gut geht. Aber ich kann dafür Sorge tragen, dass ich es nicht schlechter mache.
Wenn Jede:r danach leben würde, wäre die Welt vielleicht ein Stück besser. Aber das ist wohl utopisch.
Ich bin da ganz bei dir.