15-10-2021 Für M.

Du warst die Liebe mei­nes Lebens. Mit dir wollte ich alt wer­den. Mit dir wollte ich leben, lie­ben, strei­ten, phi­lo­so­phie­ren, bes­ser machen, ler­nen, genie­ßen, auf­bauen, unter­stüt­zen, da sein und eines Tages zurück bli­cken und “weißt du noch?” sagen kön­nen. Mit dir zusam­men wäre ich voll­stän­dig gewor­den und “am Ende die, die ich sollte sein”, wie du es ein­mal schriebst. 

Aber du warst noch nicht bereit: erwach­sen zu sein und nicht nur zu spie­len, meine real exis­tie­ren­den Sor­gen als allein erzie­hende, berufs­tä­tige Frau zu tei­len, mein Kind und mich zusam­men zu tra­gen. Wo ich Gebor­gen­heit und Nähe brauchte und dich lie­ben wollte, führ­test du phi­lo­so­phi­sche Grund­satz­dis­kus­sio­nen. Wenn du die Gesell­schaft revo­lu­tio­nie­ren woll­test, war ich ein­fach nur müde von mei­nem All­tag. Wäh­rend du Luft­schlös­ser aus Legos bau­test, zählte ich mein weni­ges Geld.

Trotz­dem war nicht alles schwie­rig. Es gab so viel Gutes. So viel behut­same Zärt­lich­keit, so viel Zuwen­dung im Den­ken und im Tun. Die glei­che Vor­stel­lung vom Leben. Die gemein­same Liebe zu Musik und Lite­ra­tur. Dich im Chor hin­ter mir sin­gen hören, uns gegen­sei­tig die Jah­res­tage vor­le­sen, fried­lich am Früh­stücks­tisch schwei­gen, lange Spa­zier­gänge im Park nicht nur des Kin­des wegen, nächt­li­ches Spa­ghet­ti­ko­chen, nach­dem wir über allem Reden das essen ver­ga­ßen … Mit dir habe ich gelernt, dass man beim Sex lachen kann. Du hast mir gezeigt, dass ich schön und lie­bens­wert bin und auch wenn ich es nur sel­ten selbst füh­len konnte, habe ich dir geglaubt.

Du hast mein Kind geliebt und warst ihr mehr Vater, als es der bio­lo­gi­sche jemals gewe­sen wäre: dafür bin ich dir dank­bar. Es tat unend­lich weh, dass es ein gemein­sa­mes nicht geben konnte, weil du nie­mals selbst eines woll­test. Als ich erfuhr, dass du jetzt doch zwei Kin­der hast, ver­letzte es mich zutiefst. Aber du warst jung damals, mit uns, ich kann inzwi­schen verzeihen.

Wir waren oft gut zusam­men, aber für dich reichte das nicht für immer. Viel­leicht war es auch nur die fal­sche Zeit.

Auch wenn du nicht geblie­ben bist, habe ich aus uns gelernt. Ich weiß seit­dem, wie Einer sein muss, damit ich ihn lie­ben kann. Ich weiß, was ich brau­che. Und obwohl es nicht das ist, was ich mir gewünscht habe, ist es am Ende doch bes­ser, alleine zu sein, weil es die­sen Einen wie dich eben nicht noch ein­mal gibt.
Du hast in mir eine Lücke hin­ter­las­sen, die im Laufe der Jahre zur Narbe wurde. Ich lebe mit ihr, auch wenn sie bis­wei­len uner­träg­lich schmerzt.

Lie­ber M., alles Gute zum Geburts­tag. Ich hoffe, du hast dein Glück gefunden.