15-11-2024 Diabeteszeug

Ende Sep­tem­ber hatte ich den übli­chen vier­tel­jähr­li­chen Ter­min in mei­ner Dia­be­tes­pra­xis. Da war der Blut­zu­cker so hoch, dass sie mir zusätz­lich zu dem übli­chen Medi­ka­ment auch noch Insu­lin ver­ord­net hat, das ich nun jeden Abend spritze. So wie ich es ver­stan­den hab, pro­du­ziert mein Kör­per zwar Insu­lin, ver­wer­tet es aber nicht ver­nünf­tig - “die Bauch­spei­chel­drüse ist im Burn­out”, sagte jemand. Des­halb gibt es jetzt halt einen Schub von außen dazu.

Ange­fan­gen hab ich mit 10 Ein­hei­ten, drei Wochen spä­ter sollte ich auf 20 Ein­hei­ten erhö­hen, danach noch­mal auf 26. Ich ver­trag das Zeug gut, die Sprit­zen stö­ren mich auch nicht wirk­lich, auch wenn die Vor­stel­lung, das jetzt abso­lut jeden Abend machen zu müs­sen, im Moment noch befremd­lich ist. Aber die Tablet­ten schlu­cke ich ja auch seit über 9 Jah­ren zwei­mal täglich.

Ges­tern hab ich wie­der mit dem Dia­be­tes-Doc tele­fo­niert, um die letz­ten BZ-Werte von der täg­li­chen Mes­sung durch­zu­ge­ben. Das ist alles ein­fach nicht wirk­lich gut. Es schwankt zwi­schen viel zu hoch und “naja, immer­hin stimmt die Rich­tung”, aber ich seh auch noch kein Mus­ter, wie ich die Werte kon­se­quent beein­flus­sen kann. Mal macht sich ein abend­li­cher Freß­an­fall (den es nicht so oft, aber lei­der eben doch manch­mal gibt) deut­lich bemerk­bar, mal nicht. Letzte Woche war ich nach der Dop­pel­imp­fung ein­ein­halb Tage krank und hab so gut wie nichts geges­sen, aber aus­ge­rech­net danach schoß der BZ nach oben wie nix gutes. Nicht zu essen bringt also auch nichts (außer einem Kilo weni­ger auf der Waage).
In der nächs­ten Zeit soll ich jetzt die Insu­lin­ein­hei­ten wei­ter schritt­weise erhö­hen (bis max. 50 Ein­hei­ten) und gucken, ob es bes­ser wird. Anfang Dezem­ber hab ich wie­der Ter­min in der Pra­xis, da sehen wir dann weiter.

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In letz­ter Zeit denke ich oft: ich hätte die Krank­heit viel erns­ter neh­men und viel frü­her das Ding mit Ernäh­rung und Bewe­gung ange­hen sol­len. Aber da waren immer die Depres­sion und all die ande­ren Kis­ten aus der Ver­gan­gen­heit, an denen ich noch zuerst zu arbei­ten hatte und die Blut­zu­cker­werte waren ja am Anfang auch gar nicht soo schlimm. Ich dachte immer, solange ich nicht zunehme, ist es schon irgend­wie okay, aber das war halt ein Trug­schluss. Ich hab zwar nicht zu-, son­dern sogar abge­nom­men seit­dem (wenn auch lange nicht genug), aber die Dia­be­tes ist ja nicht weg gegan­gen des­we­gen. Jetzt ist es eben noch schwe­rer, dage­gen anzu­ge­hen, weil die Werte inzwi­schen so viel höher sind und sich bereits Aus­wir­kun­gen an ande­ren Stel­len zeigen. 

Aber das “wäre - wenn” nützt ja auch nix. Ist jetzt eben so. Ich wünschte nur, es würde nicht so sehr mei­nen All­tag, mein Leben bestim­men, wie es das grade tut. Denn, ja, ich hab Angst, dass meine Zeit abseh­bar ist, wenn sich nichts ändert. Dass der Kör­per das irgend­wann (bald?) nicht mehr mit­macht.
Die Ner­ven in den Füßen und Bei­nen sind ja schon kaputt und stö­ren nicht nur, son­dern sind zum Teil auch schmerz­haft. Ich weiß nicht, wie sich das wei­ter ent­wi­ckelt und was das noch für Fol­gen hat. Das große Damo­kles­schwert mit der Ampu­ta­tion wird ja immer gerne geschwun­gen, aber eher im Zusam­men­hang mit offe­nen Wun­den, die man nicht spürt, weil die Ner­ven kaputt sind und die dann zur Sep­sis füh­ren. Das muss nicht sein, aber so eine blöde Angst ist eben doch da. Genauso die Angst vor Schlag­an­fall oder Herz­in­farkt. Ein­fach mit­ten im All­tag umzu­kip­pen und nie­mand merkt es. Natür­lich hab ich meine Mut­ter vor Augen, der genau das pas­siert ist und die drei Monate spä­ter gestor­ben ist. Ich will das nicht. Jetzt, wo ich die Depres­sion end­lich im Griff hab, will ich nicht gehen.

Und dann muss ich mich fra­gen, warum ich nicht hier sitze und Fra­ge­bö­gen aus­fülle und Ter­mine mache, damit ich Hilfe bekomme beim Kampf mit der Krank­heit. Warum ver­dammt ich nicht schon längst in der Kli­nik bin. Warum boy­kot­tiere ich mich immer wie­der selbst? Wenn das Essen Selbst­für­sorge war und ist, warum ist dann das rich­tig essen nicht auch genau das, wenn es doch bes­ser ist für mich? Warum wehre ich mich so sehr gegen alles, was mir gut tun würde?
Ich finde die Ant­wort nicht. Ich sehe den Sinn nicht, den es anschei­nend irgendwo in einer merk­wür­di­gen Ecke in mir ergibt. Ich weiß, dass ich gerne hätte, dass jemand anders das für mich macht. So ein Kin­der­ge­danke, weil ich es nicht schaffe. Aber da ist nie­mand mehr, da war auch nie wirk­lich jemand. Noch wei­ter mit den Füßen zu stram­peln, aus Trotz und Trauer dar­über, dass ich es alleine schaf­fen muss, mich aus dem Sumpf zu zie­hen, bringt mich nur noch mehr rein, aber nie­mals raus. Und da unten sieht und hört mich dann erst recht nie­mand. Warum also tu ich es nicht, wenn ich doch leben will?

6 Kommentare

  1. Oh, das fühlt sich wie ein Teu­fels­kreis an. Wie schwer es doch ist, Gewohn­hei­ten zu durch­bre­chen – und Gewohn­hei­ten sind ja oft sehr nahe am destruk­ti­ven Sucht­ver­hal­ten. Ja, scheixxe-schwer ist das. Ich glaube den­noch, dass du es schaf­fen kannst. 

    Irgendwo hängt es viel­leicht mit dem Ich-muss-das-allein-schaf­fen-Gedan­ken zusam­men? Die­ses Sich-selbst-Genü­gen ist ja auch noch eine Bau­stelle und über allem die Selbst­liebe, die sich nicht ein­fach anhe­xen lässt. Eine Selbst­hil­fe­gruppe könnte hel­fen? Du musst es ja nicht allein tun.

    Weißt du was? Du hast schon soooo viel geschafft und ver­ar­bei­tet. Ich glaube, dass du auch in die­sem Punkt wei­ter­kom­men kannst. (Ich will aber kei­nes­wegs Druck auf­bauen. Nur sagen, dass ich es dir zutraue! Dir zuliebe,)

    1. Ja. Nein. Ich fürchte, es geht noch viel tie­fer als “ein­fach nur” Gewohn­heit und dass ich es wie immer alleine machen muss. Ich fürchte, ich muss da in Abgründe, die noch viel tie­fer sind als alles, was zur Depres­sion führte. Hätte ich es sonst nicht längst in den The­ra­pien geschafft oder wenigs­tens erkannt?

      Danke, dass du an mich glaubst, wenn ich es nicht kann! <3

  2. Ja, auch bei mir: Lang­zeit­zu­cker­wert zu hoch für nur Met­formin. Mal sehen, was da als nächs­tes kommt.

    (Herz­in­farkt – leich­ten – hatte ich schon, und seit­her hab ich auch Stents …)

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