15-12-2020 Unerwartete Begegnung

(nach­ge­tra­gen am 19.12.2020, für die kor­rekte Chro­no­lo­gie ein­ge­fügt ins eigent­li­che Datum)

Da stand so eini­ges auf dem Plan für die­sen Tag. Tref­fen in real mit Frau R., danach zur Bücher­halle - mei­nen Aus­weis ver­län­gern (ob ich im kom­men­den Jahr mal mehr lesen werde?) und einen Gut­schein für den Enkel, der sei­nen ers­ten eige­nen bekom­men wird -, ein paar Sachen ein­kau­fen (Man­deln! Sonst wird das nix mit den Apfel­si­nen­schnit­ten, die ich ja auch Frau S. am Don­ners­tag mit­brin­gen will) und dann noch schnell zum Friseur.


Ja, ich gestehe, ich habe ganz kurz­fris­tig noch einen Ter­min gemacht, nach­dem der “Lock“dowm ver­kün­det wurde. Ich bin Eine von denen, über die laut­hals geschimpft wurde auf Twit­ter. Und ich hatte kein schlech­tes Gewis­sen dabei. Weil ich schon längst hin­ge­hen wollte. Weil die viel zu lan­gen Haare ein­fach nur noch gestört haben. Weil es für mein Wohl­be­fin­den wich­tig ist, mich äußer­lich nicht noch schlech­ter zu füh­len, als ich es sowieso mache. Weil meine Hoch­sen­si­bi­li­tät vor allem nachts Alarm schlägt, wenn irgendwo Haare auf der Haut lie­gen, wo sie nicht hin­ge­hö­ren.
Aber eigent­lich bin ich auch nie­man­dem eine Erklä­rung schul­dig. Jetzt sind sie wie­der kurz, ner­ven nicht mehr, mir gehts bes­ser: das ist die Haupt­sa­che und tut nie­man­dem weh.


Und dann ging ich nach dem Fri­seur noch eben zur Bank. Musste einen Moment an der Tür war­ten, weil nur 2 Per­so­nen auf ein­mal im Vor­raum sein sol­len und in der Ecke noch eine Frau stand und in ihren Taschen kramte. Irgend­wann war sie fer­tig damit und wollte nach drau­ßen. Blieb vor mir ste­hen, guckte mich an und sagte “Hallo Ulrike”. Ich hab sie zuerst nicht erkannt, weil sie mit Mütze, Schal und MNS fast ganz ver­mummt war, aber dann drang die Stimme in meine Erin­ne­rung und das war also die Begeg­nung, die ich seit über acht Jah­ren erwar­tet und befürch­tet hatte: meine alte Che­fin. Aus dem Stand Herz­klop­fen und Flucht­ge­dan­ken. Nur weg, nur nicht reden. Ich hab dann nur erwi­dert “ach, C. du bist es” und bin wei­ter in die Bank rein zum Auto­ma­ten. Als ich raus kam, stand sie da immer noch mit ihrem Fahr­rad und sah aus, als wolle sie was sagen. Ich bin aller­dings wort­los in die andere Rich­tung gegan­gen.
Die Gesprä­che fan­den dann in mei­nem Kopf statt. “Wie gehts dir denn?” - “Danke, muss ja.” - “Und, arbei­test du wie­der?” - “Nein, dafür habt ihr mich ver­brannt.”
Noch immer würde ich ihr das gerne ins Gesicht spu­cken. Wie unfass­bar mies sie mich behan­delt haben. Wie sehr mein Selbst­be­wußt­sein unter ihrer Miss­ach­tung gelit­ten hat. Wie kaputt ich war von der Arbeit, die sie mir mit einem Schul­ter­zu­cken auf­ge­bür­det haben. Wie ich zer­bro­chen bin an all dem. Und dass ich auch heute noch, nach so lan­ger Zeit, immer wie­der davon träume.

Es darf gera­ten wer­den, wovon meine Träume in der fol­gen­den Nacht handelten.

Aber ich bin auch zufrie­den mit mir: weil ich sie igno­riert habe und ein­fach mei­nes Weges gegan­gen bin. Weil ich ihr nichts schulde, nicht ein­mal den kleins­ten Small­talk auf dem Geh­weg vor der Bank. Und wenn ich ihr das nächste Mal begegne irgendwo im Vier­tel, in dem wir nun­mal beide woh­nen, wird mir das viel­leicht, hof­fent­lich noch leich­ter fal­len. Und eines Tages wer­den auch die Träume auf­hö­ren, bestimmt.

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