Am Donnerstag (13.01.) wurde ich wach vom Geräusch des Handys, dass eine SMS gekommen ist. Mit halbem Auge geguckt: “Terminerinnerung Ihres Jobcenters, Telefonberatung am Freitag um 11:30 Uhr”. Ach du Scheixxe. Sofort steigt Panikgefühl auf und die Gedanken rasen. Was wollen die von mir, wie schlimm wird das, muss ich mir jetzt doch noch eine Arbeit suchen, was kann ich sagen und was besser nicht …
Durchatmen. Duschen, anziehen, Kaffee kochen und dann zum Briefkasten (wo ich seit letzter Woche nicht mehr war). Da ist auch die schriftliche Einladung. Ein neuer Sachbearbeiter, den ich noch nie gesehen habe, das ist nie gut. Er möchte mit mir über die “aktuelle berufliche und gesundheitliche Situation” reden und ob sich Änderungen zum Zeitpunkt meiner Berentung ergeben haben. Ich soll 30 Minuten für das Gespräch einplanen.
Da ich dafür im Prinzip nichts vorbereiten kann außer wie gebeten meine Rentenversicherungsnummer bereit zu halten und ich die in der Kiste “sortiere ich später” suchen muss, mache ich genau das und bei der Gelegenheit auch gleich das Schreiben an die GEZ fertig, das hier schon viel zu lange liegt und dann scanne ich noch die neue Betriebskostenabrechnung für die ARGE — ähm, nee, Scannen geht nicht, im neuen PC ist kein Treiber dafür, also das auch noch eben erledigt und dann wollte ich ja noch einen Test bei der Apotheke machen lassen, also buche ich den letzten Termin für Freitag um 15 Uhr, aber da wollte ich eigentlich mit Frau R. telefonieren, also muss ich das noch verschieben und weil ich mich am Samstag mit Tochter & Enkel treffen will, muss ich ja auch noch die Bücher bestellen, so dass ich die am Freitag vor oder nach dem Testen abholen kann und da könnte ich ja auch gleich noch den Wocheneinkauf dran hängen und zum Glück muss ich bei alldem gar nicht über das JC-Gespräch nachdenken.
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Freitag (14.01.). Beim Weckerklingeln aufstehen, duschen, Frühstück richten. Ich hab 1,5 Stunden Zeit bis zum Gespräch. Ein Brötchen geht irgendwie runter, aber jeder Blick auf die Uhr macht unruhiger.
Und dann war alles halb so wild. Ein sehr freundlicher Herr, der Stimme nach nicht mehr jung, der einfach abfragte: wie es Psyche und Körper geht, ob sich was geändert hat, wie es mir mit der Pandemie geht. Ich antwortete offen und ehrlich, sagte auch, dass ich das erste Mal seit der Diagnose vor 10 Jahren das Gefühl habe, dass es mir wirklich besser geht und ich stabiler bin, dass diese Stabilität aber immer noch sehr fragil ist. Dass, wenn er mir jetzt Druck machen müsste wegen arbeiten und so, ich mir ziemlich schnell wieder eine neue Klinik suchen müsste. Hab ihm auch erzählt, dass ich ziemlich Panik bekommen habe nach der SMS. Darauf meinte er: “Ich bin nicht angetreten, um Ihnen Angst zu machen” und er schien es damit auch wirklich ernst zu meinen.
Am Ende empfahl er mir noch eine Ergotherapie, die vom JC bezahlt wird (“aber nicht als Pflicht, nur als Angebot!”) und sagte klar, dass er notiert, dass ich weiterhin nicht arbeitsfähig bin.
Uff.
Der Rest des Tages war dann okay, weil gut durchgeplant, aber mit reichlich Kontakt zu und Kommunikation mit Menschen und dann war es am Nachmittag auch genug und aus der kleinen Siesta wurden 2 Stunden Sofaschlaf mit sehr wilden Träumen.
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Gestern (15.01.) dann die beste, schönste und vor allem herzstärkende Aktion dieser ziemlich vollen Woche: Tochter & Enkel kamen mittags mit dem Rad zu mir, zusammen sind wir zum Weiher geradelt und dort mit viel quatschen und stehen und gucken einmal rum gelaufen. Die Sonne schien, es war mild, die Luft frisch und die Enten gesprächig. Am Ende gab es die Geschenke und wie erhofft leuchtende Augen und das mit dem hinfahren und rumgehen wollen wir ganz bald wieder machen, das tut einfach gut.
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Nächste Woche gibt es wieder ein paar Termine (am Dienstag die Altpapieraktion mit Frau R., die wegen der Coronawarnung ja verschoben werden musste, am Mittwoch die Gruppe und ein Therapiegespräch und am Donnerstag den Wocheneinkauf) und in Vorbereitung darauf hab ich es heute so richtig entspannt laufen lassen.
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Auf Twitter fragt Martin Gommel vom Krautreporter und ich antworte, ohne groß zu überlegen und vielleicht muss ich darüber doch nochmal nachdenken.
Genau das. (Dein Tweet)