16-09-2022 #MitSportZumUHu

(fer­tig geschrie­ben und nach­ge­scho­ben am 30.09.2022)

Beim letz­ten Besuch in der Dia­be­tes­pra­xis wurde rich­tig Blut abge­nom­men, um mal wie­der mehr als nur den Blut­zu­cker zu mes­sen. Dabei zeig­ten sich erhöhte Fett­werte in der Leber; die Ärz­tin­nen klan­gen besorgt und drin­gend und ver­schrie­ben ein zwei­tes Medi­ka­ment zur Regu­lie­rung des Cho­le­ste­rins. Seit­dem kämpfe ich immer wie­der gegen die auf­stei­gende Panik, dass mich das glei­che Schick­sal wie meine Mut­ter trifft. Ich schrieb es neu­lich schon: ich bin jetzt genauso alt wie sie damals war, als sie inner­halb von zwei Tagen meh­rere Schlag­an­fälle bekam, an deren Fol­gen sie drei Monate spä­ter - mit knapp 63 - starb.
Ich will das nicht, das ist zu früh, ich bin doch noch gar nicht fer­tig hier! Ich möchte mei­nen Enkel groß wer­den sehen und meine Toch­ter noch ein gan­zes Stück beglei­ten. Und ich möchte wenigs­tens noch meine rest­li­chen Kis­ten aus dem Kel­ler holen und öff­nen und womög­lich auch noch so bear­bei­ten, dass ich sie mit gutem Gefühl zur Seite schie­ben kann. 

Das heißt, ich muss – obwohl ich Sport hasse und eigent­lich sowieso alles, was mit mei­nem Kör­per zu tun hat – halb­wegs drin­gend was für meine Gesund­heit tun und Gewicht los las­sen. Die Zeit in Malente hat gezeigt, dass ich am ehes­ten durch Bewe­gung abneh­men kann. Wenn ich irgend­wann mal raus finde, wie ich mei­nen Schwei­ne­hund dau­er­haft in die Ecke ver­ban­nen kann, könnte das auch jetzt wie­der klap­pen - der Ergo­me­ter steht ja auf­fäl­lig genug im Arbeits­zim­mer rum. Immer­hin sitze ich da auch immer wie­der drauf und stram­pel flu­chend meine Kilo­me­ter ab. Für Twit­ter hab ich mir den Hash­tag #Mit­Sport­Zu­mUHu ein­ge­rich­tet und schreibe ab und zu was, weil diese Öffent­lich­keit viel­leicht dabei hilft, dran zu blei­ben. Aber es ist alles noch nicht regel­mä­ßig und nicht genug und schon gar nicht selbst­ver­ständ­lich, denn die Abnei­gung ist lei­der rie­sig. Zudem bin ich wie immer bes­ser darin, Aus­re­den zu erfin­den und mich dann selbst zu ver­ach­ten, als ein­fach schnell eine Runde zu fah­ren und mich danach bes­ser zu fühlen.

Beim Hilfe-Dings gibt es seit neu­es­tem wie­der die Mög­lich­keit, ein­mal in der Woche mit einer klei­nen Gruppe zum Schwim­men zu gehen; sie bezah­len sogar die Hälfte vom Ein­tritt und es ist meine Betreue­rin, die dort mit geht. Eigent­lich wäre das neben dem Ergo­me­ter­trai­ning ideal für mich, wenigs­tens zwei­mal im Monat. Aber wie immer finde ich viele Aus­re­den: wie komme ich da hin und wie­der zurück, kann ich mir die Monats­karte für den HVV leis­ten, halt ich das durch und schaff ich es, meine Scham zu über­win­den? (Ja, ich weiß: nie­mand guckt und viele sehen selbst so aus wie ich. Das macht die Scham nicht weg und darum nicht leichter.)

Ich bin ein­fach kein Sport-Typ. Ich fand noch nie Gefal­len daran, an oder sogar über meine kör­per­li­chen Gren­zen zu gehen. Und ich hasse es, zu schwit­zen. Knall­rote Birne, keine Luft, aber der Schweiß läuft über­all: das ist ein­fach nur höchst unan­ge­nehm.
Die Bewe­gung und das nötige Kör­per­be­wußt­sein beim Flö­ten frü­her war okay, dar­über hin­aus wollte ich mich mit mei­nem Kör­per aber sowieso eigent­lich nicht befas­sen. Ich wußte nicht viel über Trauma, aber instink­tiv war klar, dass ich damit unschöne Erin­ne­run­gen vor­ge­lockt hätte. Aber es war ja auch alles in Ord­nung und funk­tio­nierte, wie es sollte. 

Ein ande­rer Weg zu weni­ger Gewicht wäre natür­lich, das Essen ein­zu­schrän­ken. Zu ver­zich­ten und womög­lich zu hun­gern. Dann bin ich wie­der in mei­ner Kind­heit, das steh ich nicht noch­mal durch.
Da wäre auch immer noch das Zeug, das ich letz­tes Jahr von mei­ner Dia­be­tes­ärz­tin bekom­men hab, aber davon wird mir wei­ter­hin schlecht und Essen mit Übel­keit zu ver­bin­den scheint mir nach wie vor kein gesun­der Weg, abzunehmen.

Ich hoffe also wei­ter­hin dar­auf, dass ich mit Hilfe der The­ra­pie mein gestör­tes Ver­hal­ten Essen gegen­über ver­ste­hen und ändern kann und dass sich das zusam­men mit der Bewe­gung, an die ich mich hof­fent­lich doch irgend­wann irgend­wie gewöhne, mit der Zeit auf mein Gewicht auswirkt.

***

(Warum hat eigent­lich nie irgend­je­mand was gesagt, als ich damals anfing, zuzu­neh­men? Da gab es noch Freund:innen, die müs­sen das gese­hen haben. Hat sich das nie­mand getraut? Dach­ten sie alle, das wäre meine Sache und würde schon vor­bei gehen? Oder hat wirk­lich nie­mand gese­hen, dass und wie ich gelit­ten habe, dass es mir abgrund­tief schlecht ging, dass ich - wäre das Kind nicht da gewe­sen - womög­lich gegan­gen wäre? War ich wie­der ein­mal so unsicht­bar?
Nein, die ande­ren tra­gen keine Ver­ant­wor­tung daran, haben keine Schuld. Das ist damit nicht gemeint. Manch­mal wun­dere ich mich nur.)