Mit dem Weckerklingeln aus dem Bett, unter die Dusche, frühstücken in Ruhe, bei strahlender Sonne los zum Highlight der Woche: der Mittwochsgruppe.
Ich war auf den angekündigten Wechsel einer der Begleiterinnen der Gruppe eingestellt; da diese aber (so wie ich auch) letztes Mal krank war, verschob sich alles um eine Woche und ich konnte sie mit verabschieden. Sie ist aber auch meine persönliche Betreuerin, von daher ist es zum Glück kein richtiger Abschied, wir sehen uns ja weiterhin einmal in der Woche zum Einzelgespräch.
Gestern jedenfalls hatte sie Kuchen mitgebracht und wir sprachen nach der üblichen Eingangsrunde über dies und jenes. Frau U. (die zweite Betreuerin) griff dann etwas auf, das wir alle so oft in den kurzen Endrunden sagen: dass wir wacher und lebendiger sind und dass wir uns besser fühlen nach der Gruppe. Sie hakte nach: warum ist das so?
Weil wir unter Gleichgesinnten sind. Wir alle haben einen Grund, warum wir bei der Sozialpsychiatrie gelandet sind, müssen aber nicht darüber reden. Wir wissen, dass die anderen verstehen. Wir müssen uns nicht zusammen reißen, dürfen sein, wie wir sind. Die Masken bleiben vor der Tür - hier brauchen wir sie nicht.
Weil wir uns mögen, einfach so, in aller Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit.
Weil wir uns vertrauen und auch mal mit schwierigen Themen kommen können.
Weil wir uns und einander Gutes wünschen und geben.
Weil wir miteinander lachen können und die warme Atmosphäre uns allen einfach gut tut.
Für mich ein weiterer, persönlicher Grund: weil ich raus gehe, was anderes als meine 4 Wände sehe, an die Luft komme und nicht so spät aufstehe. Die Gruppe gibt meiner Woche Struktur.
Und wieder einmal bin ich meiner Therapeutin dankbar, die mich sanft dorthin geschubst hat. Und mir, weil ich mich überwunden und darauf eingelassen habe.
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Nach der Gruppe wollte ich eigentlich nicht sofort nach Hause, sondern mit der S-Bahn zum Jungfernstieg bzw. zur Alster fahren, aber da inzwischen die schöne Herbstsonne wieder weg war, bin ich nur in aller Ruhe zum Altonaer Bahnhof gelaufen, saß zwischendurch auf einer Bank und beobachtete Menschen und fühlte mich einfach lebendig und gut.
Zuhause lockte das Sofa, weil die Gruppe und alles drumrum neben allem Guten auch viel Energie verbraucht. Später dann nur noch Essen, TV und quasi aus Versehen nochmal eine Stunde Schlaf, der dann leider nicht mehr kommen wollte, als ich richtig im Bett lag. Melatonin half auch nicht wirklich, die Nacht war anstrengend mit dauerndem Aufwachen und wirren Träumen. Aber heute ist Donnerstag, ich hab frei, nichts drängt, alles hat Zeit.
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In den letzten Tagen hab ich eine kurze kanadische Krankenhausserie geguckt. In der letzten Folge brach Corona aus, plötzlich trugen alle Masken und Schutzkleidung, die ersten Leute wurden infiziert und alles war sehr dramatisch. Man spürte deutlich die anfängliche große Unsicherheit: was passiert da grade und wo führt das hin? Es war noch gar nicht vorstellbar, wie schlimm es wirklich werden sollte.
Beim Gucken dachte ich: das ist jetzt schon drei Jahre her, irgendwie haben wir uns daran gewöhnt, dass Corona Thema ist. Es war ein bißchen so, wie wenn irgendwo der 11. September auftaucht. Du weißt genau, was damals war und was das für Auswirkungen hatte, aber es ist zur Vergangenheit geworden. Merkwürdig irgendwie.