17-07-2020 Zwischenfall

Dass zwi­schen Diens­tag und heute hier nichts steht, liegt nicht daran, dass so wenig los gewe­sen wäre. Dazu gleich mehr.


Der Schne­cken­haus­tag (Diens­tag) ent­wi­ckelte sich noch zu einem rich­ti­gen Schrott­tag. Ich kenn das ja: da ist ein Hoch, das hält noch 2 Tage, dann geht es lang­sam wie­der run­ter und manch­mal eben so weit, dass mit mei­ner Stim­mung auch alle Moti­va­tion und Hoff­nung und Aus­sicht mit nach unten gezo­gen wird und ich, obwohl die Ener­gie da wäre, ein­fach nichts auf die Reihe kriege. Zwar hab ich inzwi­schen gelernt, mich dafür nicht zu bestra­fen und sol­che Tage anzu­neh­men, aber manch­mal bin ich halt trotz­dem ein­fach nur genervt. Von mir selbst, von der Krank­heit, von ein­fach allem. Und dann kann es pas­sie­ren, dass ich vor lau­ter genervt sein los gehe und was mache und sich das alles in Luft auflöst.


Das war dann am Mitt­woch so.

Blöd geschla­fen, blöd geträumt, blöde Stim­mung, aber trotz­dem zur Mitt­wochs­gruppe gefah­ren. Und das war gut so. Denn wenn da liebe Frauen zusam­men sit­zen und sich freuen und mit­ein­an­der lachen, und wenn du plötz­lich merkst, dass da nicht nur ein gutes Ver­ste­hen ist, son­dern auch sowas wie Zunei­gung ent­steht, dann fühlt sich die blöde Stim­mung ganz fehl am Platz und haut ein­fach ab.

Mit die­ser guten Laune war ich auf dem Rück­weg noch eben ein­kau­fen für die Woche und bin dann mit dem Rad gemüt­lich zurück nach Hause gefah­ren. Also, bis fast nach Hause.


100 Meter vor­her parkte näm­lich eine Mit­ar­bei­te­rin der dor­ti­gen Bäcke­rei mit ihrem Lie­fer­wa­gen auf der Straße und ich kann jetzt aus ers­ter Hand bestä­ti­gen, dass es die Autofahrer:innen, die die Tür auf­ma­chen, ohne nach hin­ten zu gucken, wirk­lich gibt. Ich hab noch ver­sucht, aus­zu­wei­chen, bin dabei aber lei­der auf der Straße gelan­det, das voll bepackte Fahr­rad auf mich drauf. Beim Auf­kom­men merkte ich schon, dass sich im lin­ken Knie etwas ziem­lich ver­dreht hat.
In Null­kom­ma­nix stan­den Men­schen um mich herum, auch die total auf­ge­löste Auto­fah­re­rin, die sofort sagte, dass sie schuld sei. Eine Frau hat Poli­zei und Kran­ken­wa­gen ange­ru­fen und mir sogar ihre Adresse hin­ter­las­sen, falls sie als Zeu­gin aus­sa­gen muss. Der Besit­zer der Bäcke­rei brachte einen Stuhl und ein Glas Was­ser. Jemand hob meine Ein­käufe von der Straße auf und schob das Fahr­rad zur Seite. Das ging alles so schnell und wie in einer heim­lich abge­spro­che­nen Cho­reo­gra­fie, dass ich es gar nicht wirk­lich gemerkt hab. Alle waren super nett, für­sorg­lich, besorgt – puh, so viel Auf­he­bens, das war eigent­lich viel zu viel. 

Dann kamen zwei Poli­zis­tin­nen, haben alles auf­ge­nom­men, Adres­sen notiert, was da halt zu tun ist. Wäh­rend­des­sen war ein Kran­ken­wa­gen ange­kom­men, ich wurde wei­ter befragt, ange­guckt, abge­tas­tet … so lang­sam wollte ich bitte eigent­lich nur noch nach Hause und meine Ruhe haben. Sie konn­ten mich dann aber über­zeu­gen, dass es bes­ser sei, es jetzt sofort che­cken zu las­sen, als womög­lich am nächs­ten Tag noch­mal los zu müs­sen. Also bin ich wie so ne alte Frau in den Kran­ken­wa­gen gehum­pelt (auuuuua!) und ins KH mit­ge­fah­ren.
Viel War­te­zeit, eine Rönt­gen­auf­nahme, eine ver­sorgte und ver­bun­dene Schürf­wunde am Arm, eine Teta­nus­spritze und sehr lus­tige Unter­hal­tun­gen mit dem super­net­ten Pfle­ger spä­ter bestä­tigte die Ärz­tin, was ich ver­mu­tete: dass nichts gebro­chen ist, aber sehr wahr­schein­lich die Bän­der im Knie ver­dreht oder gedehnt oder bei­des zusam­men. Dage­gen kann man lei­der nichts machen, nur Schmerz­gel, Ibus und abwar­ten, bis sich alles wie­der sor­tiert hat. Dann gab es noch ein paar Krü­cken, viele Bes­se­rungs­wün­sche und kurz danach saß ich im Taxi nach Hause.

Dort traf ich direkt mei­nen Ober­nach­barn; der war rein zufäl­lig vor­bei gekom­men, als der Sturz pas­sierte und hatte prak­ti­scher­weise meine Ein­käufe mit zu sich genom­men und brachte sie mir jetzt run­ter. Und guck an, die net­ten Poli­zis­tin­nen hat­ten tat­säch­lich mein Fahr­rad - das zum Glück heil geblie­ben ist - nach Hause gebracht und dort ange­schlos­sen. Das hat wirk­lich alles so gut geklappt.
Danach tele­fo­nierte ich mit der Unfall­ver­ur­sa­che­rin, die sich noch tau­send­mal ent­schul­digt hat und sehr froh war, als ich sagte, ich hätte über­haupt kein Inter­esse an einer Anzeige. Sollte mir da irgend­wel­ches Schmer­zens­geld zuge­spro­chen wer­den, würde ich das - davon geh ich ein­fach mal aus - sowieso sofort vom H4 abge­zo­gen krie­gen. Da hätte ja nie­mand was davon. Das ein­zige, was ich als Ent­schä­di­gung haben möchte, ist eine Tüte Crois­sants – immer­hin wirbt der Laden damit, dass er die bes­ten in Ham­burg hat. Sie ver­sprach mir auch noch einen Kaf­fee dazu 😉

Der Mitt­woch­abend ver­ging dann mit Pizza auf dem Sofa, ordent­lich jam­mern und kla­gen und ein biß­chen Selbst­mit­leid. Ich finde, das darf dann auch mal sein.


Für meine Ver­hält­nisse war ich rela­tiv früh im Bett, aber auch früh wie­der auf, weil ich mit dem wehen Knie nicht rich­tig lie­gen konnte. Nach und nach mach­ten sich auch noch andere Stel­len bemerk­bar, auf die ich gefal­len war und die in den nächs­ten Tagen schöne Far­ben anneh­men wer­den.
Also gab es mor­gens um sie­ben den ers­ten Kaf­fee auf dem Bal­kon, spä­ter Früh­stück und gegen 10 war ich wie­der im Bett für wei­tere 2 Stun­den Schlaf. So zog sich der Don­ners­tag hin zwi­schen wach und Schlaf, zwi­schen Schmerz und genervt sein davon, zwi­schen sit­zen und auf­ste­hen, weil das blöde Knie eben weh tut, egal wie ich es halte.
Was gut war: dass dank Corona jetzt The­ra­pie­stun­den völ­lig unkom­pli­ziert am Tele­fon statt fin­den kön­nen. So musste weder meine Stunde (die letzte vor der 4-wöchi­gen Urlaubs­pause) aus­fal­len noch muss ich die Gebüh­ren für spä­tes Absa­gen zahlen.


Heute (Frei­tag): lange geschla­fen und dank Schmerz­ta­blette auch tief, das war gut. Erhol­sam. Danach hab ich mich dum­mer­weise noch­mal hin­ge­legt und hatte natür­lich Kopf­schmer­zen beim Auf­wa­chen. Ich lern das noch, irgend­wann. Bestimmt.

Eigent­lich war mir nach einer schö­nen Dusche, aber ich trau mich mit dem Knie noch nicht, da ist es ein­fach zu eng. Wenn ich da falle, tut es rich­tig weh. So gab es eben nur eine Kat­zen­wä­sche und spä­ter Haare waschen in der Küche. Und wenn der Kopf nicht unter den zu tie­fen Was­ser­hahn passt, dann muss eben ein Gefäß hel­fen. Danach hätte ich eigent­lich gleich meine Küche wischen kön­nen, aber es muss ja nicht alles auf ein­mal gemacht werden.


Noch tut es an diver­sen Stel­len weh, aber immer­hin kann ich die ers­ten Meter schon ohne Krü­cken hum­peln und ein biß­chen auf­tre­ten. Und ich merke, wie prak­tisch so eine kleine Woh­nung ist: die Wege sind zwar müh­sam, aber wenigs­tens nicht lang.
Ich schätze, in ein bis zwei Tagen hat der Kör­per den Sturz ver­ar­bei­tet und es geht schritt­weise auf­wärts. Ein biß­chen mul­mig ist mir beim Gedan­ken daran, wie­der aufs Fahr­rad zu stei­gen, aber das eilt ja nicht. Ich hab nächste Woche keine The­ra­pie, meine Frau R. vom Hil­fe­dings kommt zu mir, die Mitt­wochs­gruppe fällt lei­der aus, den Zahn­arzt­ter­min kann ich eine Woche wei­ter schie­ben. Bis dahin wird das wie­der gut sein. Finde ich. Hoffe ich.


Und dann wird der Tag noch abge­run­det durch ein lan­ges Tele­fo­nat mit der Schwes­ter in Neu­see­land und ich bin grade sehr glücklich.


Mit stil­lem Ver­gnü­gen gele­sen im Blog von Herrn Buddenbohm:

Die Fliege fliegt nur knapp eine Hand­breit unter der Decke herum und lässt mich ansons­ten in Ruhe. Nur ihr Sum­men ist in aller Dezenz zu hören, ein Geräusch, das gar nicht unan­ge­nehm ist. Ein Geräusch, auf das man gut ach­ten kann. Es macht etwas müde, es macht etwas ruhig, es ist ein genau rich­ti­ges und auch aus­ge­spro­chen som­mer­li­ches Gesumme, es ist mir sehr recht. Die Fliege kreist eigent­lich nicht, sie fliegt eher For­men, fällt mir nach einer Weile auf, denn ich habe ja Urlaub und nichts zu tun. Ich liege hier also total sinn­voll nur herum und wohne, denn das macht man so im Urlaub, wenn man gerade nicht reist.

https://www.buddenbohm-und-soehne.de/2020/07/17/in-stubenschrift/

8 Kommentare

    1. Danke, liebe Bee! Aber ich jam­mer auf hohem Niveau: das ist zwar ner­vig, aber geht ja bald wie­der vor­bei. Dir wei­ter­hin alles Gute! <3

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