Die Nerven I
Am Dienstag hab ich den Brief an der Poststelle abgegeben, dann wurde er am Abend wohl noch abgeholt und am Mittwoch auf die Reise gegangen sein. Es ist also gut möglich, dass er am Donnerstag in Malente ankam. Da liegt er jetzt unten im Büro der Bettendisposition und wartet darauf, gelesen und besprochen zu werden. Eigentlich kann ich also frühestens irgendwann nächste Woche mit einem Anruf rechnen. Eigentlich könnte ich die Zeit bis dahin entspannt verbringen, weil ja sowieso nichts passieren wird. Meine Nerven sind natürlich trotzdem angespannt. Und ehrlich gesagt rechne ich mit einer Absage, ich könnte also erst recht los lassen. Aber sag das mal dem Kopf, damit der das dem Bauch sagt.
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Die Nerven II
Dank der Diabetes hab ich ja schon seit ein paar Jahren dieses Kribbeln bzw. ein taubes Gefühl in den Füßen, das inzwischen unterhalb der Knie angekommen ist. Da sind einfach die Nerven kaputt gegangen und senden falsche Signale. Die meiste Zeit kann ich damit leben und vor allem ja trotzdem laufen und alles (dass das oft nicht und nie lange geht, hat andere Gründe). Letzten Sommer wurde es unangenehm, weil ich bei Hitze auch Wasser in den Beinen hab, was sie anschwellen lässt und die dadurch gespannte Haut diese Missempfindungen stärker überträgt.
Seit zwei Jahren nehme ich deswegen Vitamin B, in der Hoffnung, es zwar nicht zu heilen, aber doch wenigstens aufzuhalten oder raus zu zögern. Ich weiß nicht, ob es hilft.
Letzte Woche hatte ich eine kleine schmerzhafte Beule am Kopf hinter dem Ohr, vermutlich war da eine Drüse irgendwie entzündet. Das ist inzwischen wieder weg, aber seitdem kribbelt die Kopfhaut an der Stelle. Nicht ununterbrochen und wenn ich sehr vertieft bin in eine Beschäftigung, vergesse ich es auch mal eine Weile, aber es wird doch mehr und stört zunehmend. Alle paar Minuten hab ich das Gefühl, als wären da auf einer Stelle von vielleicht 2 cm Durchmesser kleine Tierchen, die durch die Haare krabbeln oder als ob etwas von innen gegen die Kopfhaut - ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben kann: vibriert? kribbelt? Wie so leichte elektrische Reize. Es tut nie weh, es nervt nur einfach so sehr. Es ist, als ob mich die ganze Zeit immer wieder jemand anfasst und ganz leicht streichelt und ich schlage die Hand weg. aber sie kommt immer wieder und hört einfach nicht auf. Die Folge ist natürlich auch, dass ich innerlich total angespannt bin und dauernd dorthin fühle, das macht es nur nicht besser.
Ich hab dann heute mal Tante Google um ärztlichen Rat gefragt und neben dem Begriff “Polyneuropathien” auch “Kopfhautdysästhesie” gefunden. Und ach guck, immer wieder tauchen als Ursachen die gleichen Dinge auf: Übergewicht, Diabetes, Depression, Frau. Es ist zum verrückt werden. Zum Haare raufen, haha.
Tante Google hat mir auch die Adresse von einer Praxis mit mehreren Neurologinnen (ja, nur und ausschließlich Frauen) in meiner Nähe gesagt und dann werd ich da wohl am Montag mal anrufen. (Hab ich eigentlich mal erwähnt, dass ich wahnsinnig ungerne zu Ärzt:innen gehe?)
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Dabei würde ich so gerne schöne Dinge tun. Zum Beispiel meine Fotos nochmal ganz neu auf ihre Tauglichkeit zur Umwandlung in schwarz-weiß durchgucken, weil mich das seit einiger Zeit so sehr fasziniert, wie sich ein Bild verändert, wenn ihm die Farbe entzogen wird. So gerne würde ich diverse Stellen in Hamburg aufsuchen, wo ich Motive extra für solche Fotos finde. Und ich möchte mich endlich mal mit Lightroom beschäftigen und rausfinden, was ich damit eigentlich anstellen kann. Meine Fotoseite überarbeiten und den Blog hier vielleicht auch nochmal und sowieso endlich wieder mehr schreiben. Ach, und Gedichte suchen, die von der Tochter dann illustriert werden können und das dann drucken und in die Welt bringen.Ich würde so gerne bewußt genießen, dass die Depression endlich nicht mehr mein ständiger Begleiter ist, der mich dauernd zurück und klein hält. Oder tut sie das doch immer noch? Ich kann die schönen Dinge doch auch mit kribbelnder Kopfhaut machen, vielleicht tun sie mir sogar richtig gut. Aber ich bin doch wieder nur genervt und schlecht gelaunt und finde alles blöd und anstrengend. Ich muss raus aus dem Karussell.