(Ich hätte vielleicht Zeynep hier durchfegen lassen sollen, ist ja schon wieder ganz staubig. Sollte das nicht mal ein Tagebuchblog sein?)
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Heute Morgen, der letzte Traum vor dem Aufwachen:
Ich fuhr mit dem Fahrrad von Hamburg nach Tübingen, mit vielen anderen zusammen. Eine Art Ralley oder so. Am Ziel angekommen schloß ich das Rad vor einem Haus an und ging hinein - dort sollten die Schlafplätze für die Besucher*innen sein. Da gab es aber nur ein ganz kleines Eck unter einer Treppe, wo ich mit mehreren auf dem nackten Boden liegen sollte. Viel schlimmer als das war aber die Vorstellung, dass ich die anderen mit meinem Schnarchen stören könnte, darum bin ich aus dem Haus wieder raus und weiter in die Stadt gelaufen. Es ging durch unzählige kleine verwinkelte Gassen, überall war viel los mit Marktständen, Musikanten und Menschen; manche davon kannte ich, aber kaum jemand nahm Notiz von mir. Als mir klar wurde, dass ich hier nicht bleiben kann, wollte ich zurück zu meinem Fahrrad und nach Hause fahren. Ich wußte noch, wie die Stelle aussah, wo das Rad stand, aber nur noch die ungefähre Richtung, wie ich da hin komme. So ging ich stundenlang nach links und nach unten und gradeaus und wieder links und ging und ging und irgendwann erreichte ich endlich die Tochter am Telefon und die hatte eine App und fand das Rad und mich. Und das beschreibt mein Leben irgendwie ganz gut.
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es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen
Herbert Grönemeyer: Bleibt alles anders
genug ist zuwenig – oder es wird so wie es war
stillstand ist der tod, geh voran, bleibt alles anders
der erste stein fehlt in der mauer
der durchbruch ist nah
Im Gegensatz zu dem Song von Herbert Grönemeyer ändert sich bei mir (gefühlt) nichts. Das ist auch ein Grund, warum das hier grade nur selten ein Tagebuch ist: es passiert ja nichts. Ich stehe auf, gehe duschen oder auch nicht, frühstücke, lese online Nachrichten und Twitter, koche neuen Kaffee, mach irgendwas, schreibe oder auch nicht, geh ins Bett. Als Highlight gibt es manchmal einen Termin, selten geh ich raus, manchmal, wenn ich Glück hab, ist da Kraft und Lust für sowas wie Arbeit. Selbst in den schwarzgrauen Gräben und Löchern gibt es kaum Abwechslung, in den Gedanken keine neuen Einsichten und Wege. Alles bleibt gleich, nichts wird (mehr) anders.
Alles bleibt gleich, nichts wird (mehr) anders?
Vorhin erzählte ich Freundin D. von einer kleinen Schwärmerei und da war für einen Moment wieder dieses Ziehen im Herzen, das so weh tut und doch so schön ist und manchmal scheint Sehnsucht das einzige starke Gefühl zu sein, das noch übrig ist.
“Lass dir das nur nicht nehmen”, sagt D. und ich antworte, dass ich das gar nicht kann, weil es von allein kommt, aber wo sind denn all die anderen Gefühle geblieben und wo ist die Kraft dieser Gefühle?
Ist das auch eine Art Kraft, die mich stunden- und jahrelang durch die Straßen gehen lässt auf der Suche nach dem verlorenen Leben? Kann ich die nicht nutzen gegen die Angst?
ich kann nicht mehr seh’n
Herbert Grönemeyer: Mensch
trau nicht mehr meinen augen
kann kaum noch glauben
gefühle haben sich gedreht
ich bin viel zu träge,
um aufzugeben
es wär’ auch zu früh,
weil immer was geht.
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(Nicht immer ergibt alles einen Sinn oder ist logisch. Den Anspruch los lassen, entsprechende Texte zu schreiben. Alles hier ist meins.)
Genau das: Die Ansprüche loslassen. Boah, schwierigste Lektion ever – für mich jedenfalls. 💜
Ein paar davon sind gut als Herausforderung, um nicht aufzugeben oder einzuschlafen, aber die, die uns hindern, die dürfen gerne mal gehen.