21-03-2023 Alte Muster, die hartnäckig um ihr Überleben kämpfen

In den letz­ten drei­ein­halb Wochen ist hier nichts pas­siert, wor­über ich hätte schrei­ben kön­nen. Die meiste Zeit hab ich nichts getan außer auf­zu­ste­hen, meine Ter­mine ein­zu­hal­ten und die Tage so zu ver­brin­gen, dass ich am Abend wenigs­tens nicht unzu­frie­den bin. Aber das ist okay, das darf so sein. 

Ges­tern wäre eigent­lich Schwimm­gruppe vom Hilfe-Dings gewe­sen, die fiel aller­dings wegen aku­tem Man­gel an Mit­schwim­me­rin­nen, viel zu wenig Platz im Innen­be­cken (wg. Bau­ar­bei­ten ist das zweite große Becken geschlos­sen), Regen im Außen­be­cken und aus all dem resul­tie­ren­der Unlust lei­der aus. Statt des­sen haben Frau R. (die auch die Schwimm­gruppe betreut) und ich unser für heute geplan­tes Tref­fen vor­ge­zo­gen und so hab ich einen uner­war­te­ten freien Tag. Zeit, mal wie­der was “rich­ti­ges” zu tun und an Pro­jekte zu gehen, die hier ange­fan­gen rum­lie­gen. Naja, und ein biß­chen schrei­ben hier, das auch.

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Wie üblich wirkte die ganze Geschichte rund um das Ehren­amt noch lange nach. Die Ent­schei­dung, mich über­haupt zu bewer­ben, der Mut, nach drau­ßen zu gehen und mich zu zei­gen, die Auf­re­gung, neue / fremde Men­schen zu tref­fen, mit Über­zeu­gung für mich ein­zu­ste­hen und am Ende noch ein­mal die Ent­schei­dung, es nicht zu tun: jeder ein­zelne die­ser Punkte und alle klei­nen “Unter­punkte” brauch­ten viel Kraft und dann eben auch Zeit, um die Bat­te­rie wie­der aufzuladen. 

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Ende Februar ist die Zweig­stelle von mei­nem Hilfe-Dings umge­zo­gen. Bis­her waren sie an der Grenze zwi­schen Eims­büt­tel und Altona auf zwei Orte ver­teilt, die ich beide schnell und ein­fach mit dem Rad oder bei schlech­tem Wet­ter mit dem Bus errei­chen konnte. Jetzt gibt es einen ein­zi­gen gro­ßen Stand­ort mit­ten in Altona mit vie­len unter­schied­lich gro­ßen Räu­men auf einer Etage. Das ist für alle rich­tig gut und es ist wun­der­schön und hell und freund­lich dort, aber der Stand­ort ist für mich (und viele andere) viel wei­ter weg als vor­her - mit dem Rad bräuchte ich über eine halbe Stunde für einen Weg, das ist nicht wirk­lich mach­bar. Es bleibt also nur Bahn & Bus und wie sehr ich dank Corona ver­lernt habe, dass da im öffent­li­chen Raum unglaub­lich viele andere Men­schen sind, die einem auf die Pelle rücken und laut sind und rück­sichts­los, merkte ich so rich­tig, nach­dem ich in der ers­ten Woche nach dem Umzug an 3 Tagen hin­ter­ein­an­der unter­wegs war. Und das sind nur die ganz nor­ma­len Ter­mine: mon­tags zum Schwim­men, am Diens­tag der Ein­zel­ter­min und mitt­wochs die Gruppe. Wenn dann noch die The­ra­pie dazu kommt, sind es sogar 4 Tage und immer zwi­schen Mit­tag und Nach­mit­tag, wenn sowieso am meis­ten los ist. Das aus­zu­hal­ten und mich abzu­gren­zen raubt extrem viel Ener­gie.
Glück­li­cher­weise hat meine gute Frau R. vor­ge­schla­gen, dass wir unsere wöchent­li­chen Ter­mine abwech­selnd tele­fo­nisch und life machen kön­nen und eines der bei­den Tref­fen auch in mei­ner Nähe statt fin­den kann. Das ent­las­tet wenigs­tens ein bißchen.

Was Frau R. noch macht: sie drän­gelt grade - natür­lich ganz lie­be­voll und mit Unter­stüt­zung! -, dass ich eine Beför­de­rungs­pau­schale bean­tra­gen soll, die mir erlau­ben würde, einige Fahr­ten mit dem Taxi zu machen. Was da sofort für uralte Glau­bens­sätze in mir hoch kom­men! “Dafür bist du nicht krank / geschä­digt genug”, “das biß­chen Bus­fah­ren ist doch nicht so schlimm”, “sei froh, dass du über­haupt Geld zum Leben bekommst” und natür­lich der Lieb­lings­satz “stell dich doch nicht so an”. Alle ande­ren hät­ten das ver­dient, aber ich doch nicht. Und wenn ich das in Anspruch neh­men würde, dann müsste ich ja wirk­lich akzep­tie­ren, dass ich krank bin.

Ich hab in den letz­ten zwei Jah­ren hart daran gear­bei­tet, dass ich mein Leben anneh­men kann, wie es eben gewor­den ist. Trotz­dem sind da noch unzäh­lige alte Sätze und Mus­ter in mir, die die voll­stän­dige Akzep­tanz blo­ckie­ren. Es macht mich immer noch trau­rig und wütend, wie klein und wert­los wir gemacht und gehal­ten wur­den und dass alles weh­ren dage­gen alles nur noch schlim­mer gemacht hat. Ich glaube nicht­mal, dass meine Mut­ter uns absicht­lich damit scha­den wollte, aber es war zu der Zeit eben nicht anders und sie war froh, wenn sie nicht noch mehr Pro­bleme hatte als die, die eh schon reich­lich da waren. Irgend­wie kann ich es aus ihrer Sicht ver­ste­hen, aber ich sitze hier 60 Jahre spä­ter und hab immer noch damit zu kämp­fen. Und wenn ich eins geschafft hab, dann kommt der nächste Satz um die Ecke und macht mich wie­der klein. Und wie­der halte ich aus und gestehe mir Sachen nicht zu und ordne mich ganz nach unten, weil ich es ja nicht anders kenne und nicht anders ver­dient habe, denn: wer bin ich denn schon.

Ich bin wütend - aber noch grö­ßer als die Wut ist die Resi­gna­tion. Was kann ich denn schon ändern, jetzt noch, wo schon so viel Leben hin­ter mir liegt. Wenn ich es mit mei­nen Mit­teln und mei­ner Kraft bis jetzt nicht geschafft habe, wie sollte es denn gehen?
So ganz all­ge­mein gese­hen läuft es ja okay, damit könnte ich doch zufrie­den sein, oder?

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Ich wünschte manch­mal, ich wüßte nicht so viel, dann könnte ich mir viel­leicht nicht vor­stel­len, dass es auch anders sein könnte.

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