[nachgetragen am 29.09.2024]
Mitte August waren es 40 Jahre, seit ich in diesem Haus wohne. Erst mit Freundin B. in einer WG im 2. Stock; dort hab ich auch meine Tochter auf die Welt gebracht. Ein dreiviertel Jahr später war ich mit dem Vater der Tochter wieder zusammen, die Freundin selbst schwanger und im 1. Stock auf der anderen Seite wurde eine Wohnung frei, in die wir ziehen konnten. Perfektes Timing, um den Traum vom Wohnen mit Freunden im gleichen Haus wahr zu machen. Der Traum hielt aus diversen Gründen nicht sehr lange, übrig blieben die Tochter und ich.
Seitdem gab es natürlich immer wieder neue Nachbar:innen. Manche waren seltsam, manche nervig, viele richtig nett; ein paar leben nicht mehr oder sind weg gezogen. Meistens verstanden wir uns gut, es gab immer wieder kleine Treppenhausgespräche, aber eher selten gegenseitige Besuche, außer es handelte sich vorher schon um Freund:innen oder es war wie mit C. aus dem Hochparterre, mit dem ich ja mal - leider erfolglos - ein Arbeitsprojekt gestartet hatte. So richtige Treffen mit allen Hausbewohner:innen kamen aber leider nie zustande.
Dann zog letztes Jahr R. in die Wohnung im Souterrain, es kam der unendlich heiße Sommer 2024 und R. und C., die beide keinen Balkon o.ä. haben, trafen sich immer öfter auf der Treppe draußen vorm Haus. Irgendwann kamen die beiden auf eine Idee und vor vier Wochen saßen wir das erste Mal richtig mit Ankündigung für ein paar Stunden zusammen. Ein echtes Haustreffen!
R. hatte Tisch & Bänke, die wir vors Haus stellten, jede:r brachte Getränke mit, ich hab Avocadocreme zu Maischips gemacht. Leider waren nicht alle aus unserem Haus dabei, aber dafür kamen Menschen aus Nachbarhäusern dazu und es war einfach super schön.
Heute (also am 21.09.) gab es eine Wiederholung in ähnlicher Besetzung. Das Wetter spielte mit, so dass wir bis halb 12 nachts draußen sein konnten. Wieder setzten sich Menschen aus den Häusern drum herum dazu, blieben eine Weile, gingen wieder. Wir erzählten, tauschten uns aus, lachten, genossen die schöne Stimmung. Und wir werden das definitiv wiederholen, vielleicht noch einmal in diesem Jahr, auf jeden Fall im nächsten.
Was mir so gut tut daran, ist, dass ich wieder gesehen werde. Dass ich unter Menschen bin, die mich nehmen, wie ich bin, die mich nicht bewerten nach Aussehen, Alter, Beruf oder was immer, für die es einfach selbstverständlich ist, dass ich dazwischen sitze.
Ich hab mich damals mit Beginn der Depression so von allem und allen zurück gezogen, dass ich kaum noch Kontakte hatte. Hab mit niemandem wirklich geredet, konnte nicht über die Krankheit sprechen, aber auch keinen Smalltalk machen. Das ging so weit, dass ich mich erschrocken habe, wenn mich jemand ansprach. Dass ich abends im Dunkeln einkaufen ging, damit mich nur ja niemand sieht. Ich hab alles abgelehnt, was über Hallo und Tschüss hinaus ging. Und irgendwann war ich verdammt alleine.
Dank Therapie und dem Hilfe-Dings bin ich heute wieder ein soziales Wesen mit dem Bedürfnis nach Kontakt. Dank der vielen Arbeit an mir bin ich auch wieder in der Lage, soziale Kontakte anzunehmen und zu genießen. Und dazu gehört eben auch das Haus, in dem ich lebe und die Menschen dort.
Nachdem der Sommer erträglich war, was den Lärm der Kneipen und Restaurants angeht, bin ich jetzt wieder richtig froh, hier zu leben. Ich hoffe, das hält eine Weile. Irgendwann, wenn ich die Treppen nicht mehr schaffe, muss ich mich anderweitig umgucken, aber bis dahin ist es gut, hier zu sein.
Was für eine schöne Erfahrung - möge es viele Fortsetzungen geben. Danke fürs Teilen.