21-10-2020 Auf Mütter und Töchter

Heute wäre meine Mut­ter 95 Jahre alt gewor­den. Ich glaube aller­dings, dass sie so lange nicht durch­ge­hal­ten hätte, wenn da nicht schon der Schlag­an­fall dazwi­schen gekom­men wäre, an dem sie mit 63 viel zu früh gestor­ben ist. Etwas in die­ser Art wäre sowieso irgend­wann gesche­hen, dafür war sie phy­sisch und psy­chisch nicht gesund genug.
Bei vie­lem, was seit­dem in die­ser Welt gesche­hen ist, bin ich froh, dass sie es nicht erle­ben musste. Ande­res hätte sie gefreut, wir haben dann sehr an sie gedacht. Und noch immer gibt es Situa­tio­nen, Erleb­nisse, Momente, in denen ich denke, wie schön es wäre, wenn sie jetzt dabei sein könnte.
Auf dich, Mamutschka. Ich hoffe, es geht dir gut da oben.

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Seit mitt­ler­weile 36 Jah­ren ist das aber auch ein Tag für meine Toch­ter.
Mit­ten in der Nacht, gegen halb zwei am 21.12.1984, ist die Frucht­blase geplatzt und sie machte sich end­lich auf den Weg in die Welt. Dass der dann noch 39 Stun­den dau­ern würde, wußte ich zum Glück noch nicht. Aber was kannst du schon aus­rich­ten gegen Eine, die offen­sicht­lich als stu­rer Stein­bock ange­legt war und des­halb den Geburts­mo­ment bis zum ers­ten Tag in die­sem Tier­kreis­zei­chen hin­aus zögern musste? Außer­dem wollte sie so gerne ihren eige­nen Geburts­tag haben und ihn nicht mit ihrer Groß­mutter tei­len. Ich ver­steh sie gut, auch wenn das wirk­lich die längs­ten Stun­den mei­nes Lebens waren.

Ich erin­nere mich immer noch gut an diese zwei Geburts-Tage. Kurz vor­her hatte es hef­tig geschneit hier in Ham­burg, die Welt war wat­tig-weiß, an den Rän­dern der Wege türm­ten sich die Schnee­berge. Drin­nen bei mir im war­men Zim­mer saßen und war­te­ten mit mir zusam­men die drei bes­ten Freun­din­nen. Wir mach­ten Essen (von dem ich nur zwei Gabeln abbe­kam, weil ich nüch­tern blei­ben sollte, falls es Kom­pli­ka­tio­nen gäbe und ich ins Kran­ken­haus fah­ren müsste), lasen uns Geschich­ten vor, hör­ten Musik und frag­ten uns immer wie­der, wann die­ses Kind denn nun end­lich mal kom­men will.
Irgend­wann abends gin­gen wir alle raus, um bei einer der Freun­din­nen ein paar Stra­ßen wei­ter das Mal­e­fiz-Spiel zu holen, damit wir uns damit ablen­ken kön­nen. Am Ende haben wir es gar nicht gespielt, aber der Spa­zier­gang durch die stil­len ver­schnei­ten Stras­sen war wunderschön.

Die Wehen kamen regel­mä­ßig, aber in grö­ße­ren Abstän­den: das war ner­vig und wenig ziel­füh­rend, trotz­dem wollte ich nichts beschleu­ni­gen. Ich hatte diese natür­li­che Haus­ge­burt geplant und solange nichts dage­gen sprach und es uns gut ging, wollte ich auch zuhause blei­ben. Immer­hin war eine der Freun­din­nen Heb­amme und meine eigene wohnte direkt ums Eck bzw. war sowieso zwi­schen­durch bei uns. Auch der Arzt für Not­fälle hatte es sich irgend­wann in mei­ner Küche bequem gemacht und saß mit viel Kaf­fee an sei­ner Quar­tals­ab­rech­nung. Ich war also bes­tens und rundum gut versorgt.

In der Nacht, als sich immer noch nichts in Rich­tung Geburt tat, schaute die­ser Arzt auf die Gezei­ten­ta­belle der Elbe und stellte fest, dass ablau­fen­des Was­ser war. Als Einer, der sein Leben lang mit einer Heb­amme in den Vier­lan­den gear­bei­tet hat, wußte er, dass die wenigs­ten Kin­der bei Ebbe kom­men. Darum bekam ich ein leich­tes pflanz­li­ches Mit­tel, um die Wehen für eine Weile zurück zu hal­ten, so dass ich noch ein wenig aus­ru­hen konnte. Schlaf konnte man das nicht nen­nen, aber mit Sicher­heit hat es mir Kraft gege­ben, den nächs­ten Tag auszuhalten.


Fort­set­zung mor­gen an die­ser Stelle 😉

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