22-04-2021 Nur noch zwei

Am 05. April 2018 hatte ich - nach eini­gen pro­ba­to­ri­schen Sit­zun­gen - die erste “offi­zi­elle” The­ra­pie­stunde mit Frau S. Von den geneh­mig­ten 100 Stun­den sind jetzt noch zwei übrig. Immer, wenn ich daran denke, rutscht mir für einen Moment das Herz weg. Wir wer­den danach zwar noch eine Hand­voll Gesprächs­ter­mine haben (alle vier Wochen einen bis zum Herbst), aber kann ich denn wirk­lich jetzt schon alleine wei­ter gehen?
Und dann atme ich tief ein und aus, rufe die Zuver­sicht und den Mut und stopfe das Herz wie­der zurück. 

Es hat sich viel ver­än­dert — nein: ICH hab viel ver­än­dert, aber das war nur durch die The­ra­pie mög­lich. Weil ich dort den Raum hatte, Gedan­ken und Gefühle laut aus­zu­spre­chen und dadurch zu sor­tie­ren, sie aus­ein­an­der zu neh­men, wie­der zu er-leben und noch­mal von einer ande­ren Seite anzu­schauen und am Ende weg­zu­pa­cken oder neu anzu­neh­men. Sie hat mich reden las­sen und nur ab und zu etwas davon raus­ge­pickt und wie­der­holt, was ihr beson­ders und wich­tig schien. Sie hat mich nie bewer­tet und immer bestärkt. Sie hat mir die Zeit gege­ben, die ich brauchte für die Ver­än­de­rung. Ich war wütend, trau­rig, am Boden, glück­lich, zuver­sicht­lich, genervt, erstaunt und vie­les mehr. Ich ging vor und zurück, habe Berge bezwun­gen und stürzte in tiefe Täler und war oft genug müde und zwei­felte vor allem an mir. Und nach jeder Stunde war ich um wenigs­tens einen wich­ti­gen Gedan­ken reicher. 

Die größte Ver­än­de­rung ist, dass ich mich heute um so viel mehr und bes­ser anneh­men kann, wie ich bin. Dass Igor und die Stimme im Kopf keine Feinde mehr sind. Dass ich ihnen etwas ent­ge­gen zu set­zen habe und sie als mah­nen­den Teil von mir sehen kann.
Ich bin noch lange nicht am Ende, aber auf einem guten Weg. Auf MEINEM Weg.

Und das erste Mal war heute der Gedanke in mei­nem Kopf, dass ich nicht mehr immer nur auf das sehen möchte, was ich NICHT kann, son­dern end­lich wie­der den Fokus auf das legen, was ich kann - und dass ich mir das zutraue. Noch nicht immer, aber immer öfter.