22-09-2024 Von Sekundenträumen und Endlichkeit

Und dann hat der Herbst nach einer Woche dem Som­mer doch noch eine kleine Ver­län­ge­rung gewährt und uns (zumin­dest hier im Nor­den) milde Tem­pe­ra­tu­ren bis 25° und rich­tig viel Sonne gebracht. Ich genieße es, so gut ich kann, sauge die Wärme auf und das leuch­tende Grün der Bäume und gehe wei­ter­hin bar­fuß oder auf San­da­len. Die­ses Jahr mag ich den Som­mer nicht los las­sen, ich weiß nicht, was danach kommt, was nach dem Win­ter kommt. 

Die Phy­sio­the­ra­pie tat dem Rücken gut, aber wird das hal­ten und wie lange? Die Arthrose im lin­ken Knie kommt grade wie­der, der rechte Fuß schmerzt inzwi­schen ohne Anlass von ganz allein, es wird mit jedem Jahr schlim­mer. Wie lange kann ich noch alleine raus?

Auf glei­cher Höhe wohnt seit ein paar Jah­ren im Neben­haus ein Paar, etwas jün­ger als ich, die saßen immer den gan­zen Som­mer über auf ihrem Bal­kon. Die­ses Jahr sieht man den Mann fast gar nicht mehr, dafür hört man sei­nen schlim­men Hus­ten (COPD ver­mut­lich) und ich ver­su­che mir vor­zu­stel­len, wie das ist, nicht ein­mal mehr die paar Schritte auf den Bal­kon machen zu kön­nen geschweige denn es nach unten vor die Tür zu schaf­fen. Hält man das aus? Gefan­gen in der Wohnung?

Und ich? Geh auch nicht raus. Mag nicht alleine los, mag nicht unter vie­len Men­schen sein, hab Sorge, den Heim­weg nicht mehr zu schaf­fen. Ich hab so viele Ziele im Kopf, wo ich gerne mit der Kamera hin möchte und schaff es nicht über alle Hür­den, echte und vor­ge­stellte. Was hin­dert mich denn daran, mich gleich noch “anstän­dig” anzu­zie­hen, die Kamera ein­zu­pa­cken und los zu gehen? Oder müsste ich lie­ber fra­gen: WER hin­dert mich außer ich mich selbst in mei­ner Unbe­weg­lich­keit, mei­ner Bequem­lich­keit?
Aber es ist ja auch nett, hier bei offe­ner Bal­kon­tür am Schreib­tisch zu sit­zen, Fotos für die Toch­ter zu bear­bei­ten, hier zu lesen und da zu schrei­ben, schöne Musik dazu … Da will nie­mand was von mir, da ver­geht die Zeit ganz wun­der­bar - und am Ende steh ich da und denke “das war alles?”

hatte so ein kur­zes seh­nen, wie ein vibrato, nach mehr, nach dem gro­ßen gan­zen, dem ande­ren, aber dann hatte der all­tag mich wieder.

Das schrieb vor kur­zem eine Blog­ge­rin, die ich gerne lese. Es kam mir so ver­traut vor, ich kenne die­ses Gefühl so sehr. Diese Sekun­den­träume, diese kur­zen Momente von tiefs­ter Sehn­sucht nach etwas, das nicht zu fas­sen ist. Dann geht das Fens­ter wie­der zu und du machst eben wei­ter wie sonst auch.

Ich spüre meine End­lich­keit, immer mehr. Nicht so, als ob ich nächste Woche ster­ben würde, aber das Wis­sen, dass die rest­li­che Zeit begrenzt ist, wird deut­li­cher, prä­sen­ter. Gleich­zei­tig damit die Fra­gen “was will ich noch?” und “was schaffe ich noch?” Sor­tie­ren, wel­che Ansprü­che wirk­lich meine sind und wel­che ich glaube, erfül­len zu müs­sen.
(Aber rede ich mir damit nicht schön, dass ich mich vor Ver­än­de­rung, vor Anstren­gung drü­cke und davor, dass ich mei­nen eige­nen Ansprü­chen nicht gerecht werde?)

***

Die Musik, die heute hier lief, ist von Clau­dio Con­stan­tini, einem perua­ni­schen Ban­deon-Spie­ler, der sowohl (argen­ti­ni­schen) Tango als auch klas­si­sche Stü­cke wie z.B. von Bach spielt. Es klingt ein klei­nes biß­chen wie in die­sen Träumen.

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