Und dann hat der Herbst nach einer Woche dem Sommer doch noch eine kleine Verlängerung gewährt und uns (zumindest hier im Norden) milde Temperaturen bis 25° und richtig viel Sonne gebracht. Ich genieße es, so gut ich kann, sauge die Wärme auf und das leuchtende Grün der Bäume und gehe weiterhin barfuß oder auf Sandalen. Dieses Jahr mag ich den Sommer nicht los lassen, ich weiß nicht, was danach kommt, was nach dem Winter kommt.
Die Physiotherapie tat dem Rücken gut, aber wird das halten und wie lange? Die Arthrose im linken Knie kommt grade wieder, der rechte Fuß schmerzt inzwischen ohne Anlass von ganz allein, es wird mit jedem Jahr schlimmer. Wie lange kann ich noch alleine raus?
Auf gleicher Höhe wohnt seit ein paar Jahren im Nebenhaus ein Paar, etwas jünger als ich, die saßen immer den ganzen Sommer über auf ihrem Balkon. Dieses Jahr sieht man den Mann fast gar nicht mehr, dafür hört man seinen schlimmen Husten (COPD vermutlich) und ich versuche mir vorzustellen, wie das ist, nicht einmal mehr die paar Schritte auf den Balkon machen zu können geschweige denn es nach unten vor die Tür zu schaffen. Hält man das aus? Gefangen in der Wohnung?
Und ich? Geh auch nicht raus. Mag nicht alleine los, mag nicht unter vielen Menschen sein, hab Sorge, den Heimweg nicht mehr zu schaffen. Ich hab so viele Ziele im Kopf, wo ich gerne mit der Kamera hin möchte und schaff es nicht über alle Hürden, echte und vorgestellte. Was hindert mich denn daran, mich gleich noch “anständig” anzuziehen, die Kamera einzupacken und los zu gehen? Oder müsste ich lieber fragen: WER hindert mich außer ich mich selbst in meiner Unbeweglichkeit, meiner Bequemlichkeit?
Aber es ist ja auch nett, hier bei offener Balkontür am Schreibtisch zu sitzen, Fotos für die Tochter zu bearbeiten, hier zu lesen und da zu schreiben, schöne Musik dazu … Da will niemand was von mir, da vergeht die Zeit ganz wunderbar - und am Ende steh ich da und denke “das war alles?”
hatte so ein kurzes sehnen, wie ein vibrato, nach mehr, nach dem großen ganzen, dem anderen, aber dann hatte der alltag mich wieder.
Das schrieb vor kurzem eine Bloggerin, die ich gerne lese. Es kam mir so vertraut vor, ich kenne dieses Gefühl so sehr. Diese Sekundenträume, diese kurzen Momente von tiefster Sehnsucht nach etwas, das nicht zu fassen ist. Dann geht das Fenster wieder zu und du machst eben weiter wie sonst auch.
Ich spüre meine Endlichkeit, immer mehr. Nicht so, als ob ich nächste Woche sterben würde, aber das Wissen, dass die restliche Zeit begrenzt ist, wird deutlicher, präsenter. Gleichzeitig damit die Fragen “was will ich noch?” und “was schaffe ich noch?” Sortieren, welche Ansprüche wirklich meine sind und welche ich glaube, erfüllen zu müssen.
(Aber rede ich mir damit nicht schön, dass ich mich vor Veränderung, vor Anstrengung drücke und davor, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde?)
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Die Musik, die heute hier lief, ist von Claudio Constantini, einem peruanischen Bandeon-Spieler, der sowohl (argentinischen) Tango als auch klassische Stücke wie z.B. von Bach spielt. Es klingt ein kleines bißchen wie in diesen Träumen.