22-11-2022 Die kurze Haltbarkeit von Freude

Ges­tern hab ich alle Ter­mine für diese Woche abge­sagt, auch wenn es nur gute sind: Igor braucht grade die volle Auf­merk­sam­keit, damit es nicht abwärts ins Loch geht. Der kleine schwarze Hund ist inzwi­schen wirk­lich zu einem Mah­ner gewor­den, der merkt, wenn ich unan­ge­nehme und schwie­rige The­men zu lange weg schiebe oder viel­mehr in mich hin­ein fresse in der ver­rück­ten Hoff­nung, dass sie sich von alleine lösen.

***

Vor eini­gen Jah­ren hab ich auf Twit­ter Frau Paul­chen und ihre Lyri­schen Wochen und Monate ent­deckt und begeis­tert mit gedich­tet. Lei­der hat sie schon vor län­ge­rer Zeit damit auf­ge­hört, aber jetzt hat eine der frü­he­ren Schrei­be­rin­nen wie­der daran ange­knüpft. Eine Woche lang hat sie Impulse gege­ben, zu denen gedich­tet wer­den konnte. Die sie­ben Impulse - Melan­cho­lie, Sehn­sucht, Glück, Trauer, Gebor­gen­heit, Angst und Freude - fühl­ten sich schwer und groß an, den­noch fiel mir zu allen irgend­wann im Laufe des Tages etwas ein.
Nichts hin­ge­gen schrieb ich zur “Freude”. Da wollte bei allem Nach­den­ken ein­fach nichts kom­men, da klang nichts Schreib­wür­di­ges in mir.

Sicher gibt es Freude für mich, kleine wie große: Sonne auf gol­de­nen Blät­tern, Natur zu erle­ben, Musik immer wie­der, meine Liebs­ten zu sehen oder für Momente mit mir im Rei­nen zu sein. Aber noch immer hält die­ses gute Gefühl nicht, reicht viel zu sel­ten bis in die Tiefe, wird viel zu schnell zur Erin­ne­rung und hat damit keine Chance, nach­hal­tig oder sogar ein Teil mei­ner Basis zu wer­den. Ich kann nicht dar­auf auf­bauen, es ist ein­fach kein Grundgefühl. 

Mir sind in mei­nem Leben nur wenige Men­schen begeg­net, die die­ses posi­tive Grund­ge­fühl haben, die grund­sätz­lich opti­mis­tisch sind und so auch an (durch­aus ja vor­han­dene) Pro­bleme heran gehen. Die meis­ten han­geln sich doch irgend­wie so durch und ver­su­chen, ihr Leben so gut wie mög­lich zu meis­tern.
Soll das ein­fach so sein? Ist das so vor­ge­se­hen, dass wir von einer Hürde zur nächs­ten wan­dern, per­ma­nent Steine weg­räu­men, den Weg ebnen bis zum nächs­ten Fel­sen, der im Weg steht? Ver­misse ich mit dem Glück etwas, was sowieso nicht von Dauer ist? Wäre ich viel­leicht glück­li­cher oder zufrie­de­ner, wenn ich nicht dar­über nach­dächte? Aber wie könnte ich denn auf­hö­ren zu den­ken, zu fra­gen, zu seh­nen. Dann wäre ich nicht mehr ich.

***

“What would you do, if you had no fear?”

Diese Frage las ich heute bei jeman­dem auf Twit­ter. Ich habe keine und doch viel zu viele Ant­wor­ten darauf.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert