Ende Oktober 2022 hat Elon Musk, der reichste Mann der Welt, Twitter gekauft und spielt seitdem damit, wie auch immer er Lust hat. Entlässt die halbe Belegschaft, verkauft den blauen Haken - die Verifizierung der Accounts - an alle, die zahlen wollen (und scheitert zum Glück erstmal damit), propagiert großspurig die freie Rede, sperrt dann aber alle, die sich über ihn lustig machen, entsperrt jetzt aber rechte, Fake News verbreitende und Hass schürende Accounts - allen voran den von D. Trump.
Ich drösel das hier nicht nochmal alles auf, das können andere viel besser als ich (z.B. der “Volksverpetzer” hier und hier). Sehr gut fasst das ganze das folgende Zitat aus dem zweiten der vorher verlinkten Artikel zusammen:
[…] Elon Musk, eine interessante Beobachtung nebenbei, [ist] als klassischer Troll zu klassifizieren. Er provoziert, beleidigt, will Aufmerksamkeit und tut alles dafür, dass andere Trolle sein Ego hofieren (was auch mit fremdschämiger Unterwerfung regelmäßig geschieht). Allerdings ist Elon der allererste Troll, dem die Plattform gehört, auf der er trollt. Das ist ein Novum. Der Sinn dahinter erschließt sich allerdings noch nicht ganz. Immerhin wird es Werbekunden nur weiter abschrecken, wenn der reichste Mann der Welt, der Twitter-Obervogel Elon Musk, sich aufführt wie ein gehässiger Fünfzehnjähriger auf Reddit.
https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/elon-musk-doppelfail-drama-trump/
Die Folge von all dem ist, dass ganz viele Menschen fast panikartig Twitter verlassen. In den ersten Tagen nach der Übernahme war überall zu lesen, wie die Zahl der Follower:innen und Follows stündlich weniger wird - selbst auf einem kleinen Account wie meinem. Und im Gegensatz zu früher, wo die Leute mir einfach entfolgt sind, haben sie jetzt ihre Accounts komplett still gelegt oder gleich gelöscht.
Ich versteh das gut. Will ich denn wirklich eine Plattform nutzen, deren Besitzer sich aufführt wie ein Kind, das mit Crashtest-Dummies spielt und der dem politisch rechten Lager zuzuordnen ist? Natürlich find ich das scheisse. Andererseits sind inzwischen wohl fast alle Regierungsparteien fast aller Länder auf Twitter vertreten, also auch alle rechten. Dazu kommen rechtextreme Gruppen, Schwurbler, Querdenker, Aluhutträger, Verschwörungsgläubige und so weiter. Ich will mit denen eigentlich auch nicht zusammen sein, aber ich kann die nicht verbieten, nur überlesen oder blockieren.
Aber sollen wir denen und den ewig Nörgelnden und Pöbelnden “unser” Twitter einfach überlassen? Wer informiert und warnt denn dann, wer klärt auf und zeigt, was bei denen läuft? Muss _man_ nicht erst recht dort bleiben als Gegengewicht? Ich hab minimal Reichweite mit meinen 300 Follower:innen, aber wenn ein von mir geteilter Tweet nur eine Person zum nachdenken bringt oder jemandem hilft, eine andere zu überzeugen: lohnt es sich nicht schon alleine dafür?
Wenn ich wegen den o.g. gehen wollte, hätte ich mich nie auf Twitter anmelden dürfen. Aber ich bin da, seit über 7 Jahren. Erst nur wegen der Social Media Fortbildung und des Jobs, dann immer mehr privat und vor allem in der #notjustsad Runde, über die ich so viele tolle Menschen kennen gelernt habe. Ich hab ein virtuelles Zuhause auf Twitter, ohne das ich die letzten Jahre vielleicht nicht überstanden hätte. Ja, das klingt groß und das ist es auch. Ich hab oft davon geschrieben hier, dass es mir schwer fällt, reale neue Kontakte zu knüpfen, mich auf fremde Menschen einzulassen, mich zu zeigen. Virtuell ist nicht weniger echt, aber in vielen Bereichen einfacher. Hätte ich diese Welt nicht, wäre ich sehr, sehr einsam. Und jetzt bricht sie auseinander. Das tut weh.
Und die Alternative “Mastodon” ist in ganz vielen Bereichen keine Option für mich. Vielleicht bin ich mal wieder einfach nur trotzig, weil mir etwas weg genommen wird, was ich liebe und brauche und mag mich darum nicht darauf einlassen. Aber da ist so vieles, was ich einfach furchtbar finde. Allein der Name: wer bitteschön nennt eine innovative, zukunftsgerichtete, offene Kommunikationsplattform nach einem vor Milliarden von Jahren ausgestorbenen Ur-Tier? (Spoiler: ein waschechter Nerd, der jedem Klischee dazu entspricht.) Die Beiträge heißen “Trööts” und ich denke sofort an Benjamin Blümchen, aber ich bin weder Kind noch Elefant und bei der Vorstellung eines Raumes, in dem alle laut durcheinander tröten, wird mir schlecht. Es wird auch nicht re-postet, sondern geboostet, die Follower sind Trötis oder Mastis und das liken von Beiträgen ist extrem verpönt, weil es ja nicht um Aufmerksamkeit oder Anerkennung geht und Reichweite und Followerzahlen nur was für Egozentriker sind, aber auf Mastodon sind alle nur lieb und nett und freundlich und Nazis gibt es da ja auch keine (Mansplainer übrigens dafür reichlich). Und unterschwellig wird man:frau verurteilt, wenn er:sie weiterhin auf Twitter bleibt. Ich muss das nicht haben, das ist nicht meins.
Ich fühle mich verloren zwischen zwei Welten.