Essstörung, die:
bereits beim Kochen die Angst, dass die letzte Handvoll Spaghetti, die noch im Schrank ist, nie und nimmer reichen kann, um wirklich satt zu werden. Diese Angst ist mit Eisenkrallen in meiner Seele verankert. Weil es nie genug gab, als ich Kind war. Nicht genug Essen, nicht genug Zuwendung, nicht genug Fürsorge. Die Liebe, die durch 5 geteilt werden musste, reichte nicht, um den Mangel an allem anderen auszugleichen.
Ich übe jetzt bewußt, diese täglich vorhandene Angst auszuhalten. Darauf zu vertrauen, dass die Nahrung reichen wird, weil ich selbst zuständig bin für mich und - trotz Armut - vorsorge, dass ich keinen Mangel mehr erleiden muss.
Ich sehe mich, ich nehme mich ernst und ich kümmere mich um mich, so wie es das Kind gebraucht hätte.
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Seit ein paar Monaten arbeite ich in der Therapie an diesem Thema. Es ist (vermutlich) die letzte große Kiste, die noch in dem Keller steht, der meine Kindheit symbolisiert. Beim ersten vorsichtigen Blick konnte ich sehen, dass in dieser großen Kiste mehrere kleine liegen. Sie sind beschriftet: “Mangel” steht auf einer, “Strafe” auf einer anderen und irgendwo wird wohl auch sowas wie “Misshandlung” drauf stehen. Kein Wunder, dass ich das Auspacken der Kisten so lange wegschob und immer noch Angst davor habe, was mich da alles erwartet.
Die Gründe für mein gestörtes Verhältnis zum Essen entstanden in der Kindheit, ziehen sich aber durch mein ganzes Erwachsenenleben durch, auch wenn es lange brauchte, bis es Auswirkungen auf mein Gewicht hatte. Jetzt sind die Folgen nicht mehr “nur” psychisch, sondern längst auch physisch, so dass es dringend geworden ist, an das Thema ran zu gehen.
Im Gegensatz zum Nikotinentzug kann ich leider nicht einfach aufhören zu essen, ich muss also andere Wege finden. Einer davon wird sein, hier im Blog darüber zu schreiben. Für diesen ersten Eintrag heute gibt es eine Triggerwarnung, ansonsten werde ich die Beiträge in die Kategorie “Ess-Störung” einsortieren. Ich hab nicht viele Leser:innen, aber vielleicht ist es für die ein oder andere besser.
Und jetzt geh ich mal in die Küche und arbeite an meiner Angst.
Fühl ich gerade sehr! Hier ein ähnliches Thema: Aus Angst vor dem Mangel immer etwas zu viel kochen. Und das dann, spätestens abends, auch aufessen. Weil man es ja nicht wegschmeißen kann, der Kinder in Afrika wegen. Mangel und Sparzwang geben sich da schön die Hand.
Wünsche dir ganz viel Kraft für die Kisten im Keller. Und die in den dunkelsten Ecken sind meist tonnenschwer.
Hab Dank für dein Mitfühlen und überhaupt!
Die Kinder in Afrika mussten bei uns auch immer herhalten, wenn wir trotz Hunger nicht essen konnten, weil es so schrecklich schmeckte. Schon als kleines Kind dachte ich immer, dass die doch auch nicht mehr haben, wenn wenn wir aufessen, aber das hab ich mich nur einmal getraut zu sagen. Darum ging es dabei ja auch gar nicht - aber das gibt einen eigenen Eintrag.
(“Schade macht dick”, kennst du das? Diese paar Löffel, die wir nicht wegschmeißen: die landen dann eben auf den Hüften, dem Bauch oder sonstwo.)
Dir auch immer wieder Kraft und Mut!
Du hast einen wichtigen ersten Schritt getan, darüber zu schreiben. Viel Mut für die folgenden Schritte wünsche ich dir. 💕
Danke, meine Liebe! Du erfährst ja sowieso immer als Erste davon. <345