26-09-2022 CN: Ess-Störung

Ess­stö­rung, die:
bereits beim Kochen die Angst, dass die letzte Hand­voll Spa­ghetti, die noch im Schrank ist, nie und nim­mer rei­chen kann, um wirk­lich satt zu wer­den. Diese Angst ist mit Eisen­kral­len in mei­ner Seele ver­an­kert. Weil es nie genug gab, als ich Kind war. Nicht genug Essen, nicht genug Zuwen­dung, nicht genug Für­sorge. Die Liebe, die durch 5 geteilt wer­den musste, reichte nicht, um den Man­gel an allem ande­ren auszugleichen.

Ich übe jetzt bewußt, diese täg­lich vor­han­dene Angst aus­zu­hal­ten. Dar­auf zu ver­trauen, dass die Nah­rung rei­chen wird, weil ich selbst zustän­dig bin für mich und - trotz Armut - vor­sorge, dass ich kei­nen Man­gel mehr erlei­den muss.

Ich sehe mich, ich nehme mich ernst und ich küm­mere mich um mich, so wie es das Kind gebraucht hätte.

***

Seit ein paar Mona­ten arbeite ich in der The­ra­pie an die­sem Thema. Es ist (ver­mut­lich) die letzte große Kiste, die noch in dem Kel­ler steht, der meine Kind­heit sym­bo­li­siert. Beim ers­ten vor­sich­ti­gen Blick konnte ich sehen, dass in die­ser gro­ßen Kiste meh­rere kleine lie­gen. Sie sind beschrif­tet: “Man­gel” steht auf einer, “Strafe” auf einer ande­ren und irgendwo wird wohl auch sowas wie “Miss­hand­lung” drauf ste­hen. Kein Wun­der, dass ich das Aus­pa­cken der Kis­ten so lange weg­schob und immer noch Angst davor habe, was mich da alles erwartet.

Die Gründe für mein gestör­tes Ver­hält­nis zum Essen ent­stan­den in der Kind­heit, zie­hen sich aber durch mein gan­zes Erwach­se­nen­le­ben durch, auch wenn es lange brauchte, bis es Aus­wir­kun­gen auf mein Gewicht hatte. Jetzt sind die Fol­gen nicht mehr “nur” psy­chisch, son­dern längst auch phy­sisch, so dass es drin­gend gewor­den ist, an das Thema ran zu gehen.

Im Gegen­satz zum Niko­tin­ent­zug kann ich lei­der nicht ein­fach auf­hö­ren zu essen, ich muss also andere Wege fin­den. Einer davon wird sein, hier im Blog dar­über zu schrei­ben. Für die­sen ers­ten Ein­trag heute gibt es eine Trig­ger­war­nung, ansons­ten werde ich die Bei­träge in die Kate­go­rie “Ess-Stö­rung” ein­sor­tie­ren. Ich hab nicht viele Leser:innen, aber viel­leicht ist es für die ein oder andere besser.

Und jetzt geh ich mal in die Küche und arbeite an mei­ner Angst.

4 Kommentare

  1. Fühl ich gerade sehr! Hier ein ähn­li­ches Thema: Aus Angst vor dem Man­gel immer etwas zu viel kochen. Und das dann, spä­tes­tens abends, auch auf­es­sen. Weil man es ja nicht weg­schmei­ßen kann, der Kin­der in Afrika wegen. Man­gel und Spar­zwang geben sich da schön die Hand.
    Wün­sche dir ganz viel Kraft für die Kis­ten im Kel­ler. Und die in den dun­kels­ten Ecken sind meist tonnenschwer.

    1. Hab Dank für dein Mit­füh­len und überhaupt!
      Die Kin­der in Afrika muss­ten bei uns auch immer her­hal­ten, wenn wir trotz Hun­ger nicht essen konn­ten, weil es so schreck­lich schmeckte. Schon als klei­nes Kind dachte ich immer, dass die doch auch nicht mehr haben, wenn wenn wir auf­es­sen, aber das hab ich mich nur ein­mal getraut zu sagen. Darum ging es dabei ja auch gar nicht - aber das gibt einen eige­nen Eintrag.

      (“Schade macht dick”, kennst du das? Diese paar Löf­fel, die wir nicht weg­schmei­ßen: die lan­den dann eben auf den Hüf­ten, dem Bauch oder sonstwo.)

      Dir auch immer wie­der Kraft und Mut!

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