Dass ich mich irgendwie körperlich betätigen muss, wenn ich wieder fitter werden und abnehmen will, steht außer Frage. Dass ich alles, was mit Sport zu tun hat, mit jeder Faser und jedem Muskel meines Körpers hasse, ist ebenfalls Tatsache. Irgendwo dazwischen muss ich also wohl einen Kompromiss finden.
Immer wieder komme ich bei solchen Überlegungen zurück zu der Zeit in Malente und frage mich: was war damals so gut, was hat mir geholfen? In Bezug auf die Bewegung war das Wichtigste, dass ich einen festen Zeit- bzw. Stunden- und Wochenplan hatte. Dienstags um 10 Uhr war Aquagymnastik, Freitags um 13 Uhr Ergometergruppe, dazwischen zwei (wöchentlich wechselnde, aber fixe) Termine, an denen ich alleine im Geräteraum war und machen konnte, was ich wollte. Natürlich hat mich niemand gezwungen, diese Termine einzuhalten, aber mir war auch klar, dass sie sein müssen und ich hab sie wahr genommen.
Vor allem die Gruppen waren gut, weil ich nicht alleine kämpfen musste und weil wir uns gegenseitig angespornt haben. Das fehlt mir hier zuhause sehr. Mein eigener Ehrgeiz, beim Sport bestimmte Ziele zu erreichen, ist verschwindend klein. Was mich rettet, ist das dagegen stark ausgeprägte Bedürfnis nach runden Zahlen. Ich fahre keine 9einhalb Minuten, sondern quäle mich lieber bis zur 10. Bei 4,7 km kann ich nicht aufhören, ich fahre dann weiter bis 5 km. Sowas hilft, erhöht den Spaßfaktor aber nicht im geringsten.
Ich brauche also - wenn ich hier schon keine Gruppe habe - einen Plan, eine Routine. Etwas, worüber ich nicht nachdenke, was einfach dazu gehört. Im Laufe eines Tages hab ich genau einmal eine Routine und das ist am Morgen.
Ich stehe auf, geh aufs Klo, schiebe an Tagen ohne Termin Brötchen in den Ofen, dusche, setze Kaffee auf, stell den Computer an, zieh meine bequemen Zuhause-Klamotten an, richte das Frühstück, setze mich damit an den Rechner und frühstücke, während ich meine Social Media Kanäle nachlese. Das mache ich jeden Morgen und in immer der gleichen Reihenfolge. Danach fängt der individuelle Teil des Tages an: entweder muss ich los oder ich hab “frei” und mache diversen Kram. Wann ich nach Terminen nach Hause komme, ist unterschiedlich, meistens bin ich danach müde und hungrig und mag nichts mehr tun. An den anderen Tagen bin ich beschäftigt mit Zeug und denke nicht an Sport oder so. Abends mag ich nicht mehr aufs Rad.
Bei meiner Überlegung spielt auch eine Rolle, dass ich nicht schwitzen mag und, falls es doch so ist, danach schnell und unbedingt unter die Dusche muss. Ich hab aber auch keine Lust, mich dauernd umzuziehen je nach Aktivität. Morgens in die Klamotten, dann wieder raus und in Sportklamotten (die ich durchschwitzen kann), dann da raus und unter die Dusche, dann wieder rein in normale Klamotten … das ist mir alles zu umständlich und irgendwie lächerlich.
Eigentlich will ich gar nicht über das alles nachdenken. Aber wenn es schon sein muss, dann scheint mir am logischsten, dass ich dieses Sportdings in die Morgenroutine einbaue.
Seit letztem Samstag ist dies der Ablauf: ich stehe auf, geh aufs Klo, ziehe mir Unterbüxe, Shirt und Sporthose (jaha, ich hab sowas!!) an, fahre den Rechner hoch, damit ich ein schönes Foto sehe, falls ich die Augen auf bekomme und setze mich dann ohne nachzudenken auf den Ergometer, wo ich z.Zt. - je nachdem, welche Zahl zuerst rund wird - 5 km, 15 Minuten oder wenn ich richtig gut bin noch länger strample. Danach hake ich im Kalender ab, dass ich trainiert habe und beruhige meinen Puls dabei, dann geht es raus aus den müffelnden Klamotten und endlich unter die Dusche. Der Rest ist dann wie oben beschrieben. An immerhin 4 von 7 Tagen hab ich es so geschafft und damit mein selbst gestecktes Wochenziel erreicht.
Ist das jetzt gut? Ich weiß es nicht. Wenn ich mir vorstelle, das die nächsten JAHRE! durchzuziehen, wird mir schwindelig und ich möchte weinen und schreien, weil es im Zusammenhang mit mir einfach so absurd ist. Nein, es ist nicht unendlich schwer, es ist schon irgendwie zu machen und es dauert ja auch nur eine Viertelstunde länger als sonst, aber dass das ab jetzt und für immer zu meinem Morgenritual gehören soll … ich weiß nicht. Das bin ich eigentlich nicht und es fühlt sich an wie Betrug an mir selbst. Ich bin doch in Wirklichkeit viel mehr so wie da oben auf dem Foto: das Fahrrad als bequemes Fortbewegungsmittel nutzen, um an einen Platz zu kommen, an dem ich sitzen und die Aussicht genießen kann. Ob ich mich wirklich an das andere gewöhnen kann und werde?
(Selbst meine Waage weiß nicht, was sie davon halten soll und zeigt mehr als vorher an. Das allerdings könnte auch an der Tüte Erdnussflips liegen, die mir am Donnerstag in den Einkaufskorb geflogen sind.)