30-05-2025 Was war, was ist, was wird

Malente
Keine Nach­richt bis­her, wann es einen freien Platz für mich gibt. Ich habe alles erle­digt, was vor­her noch drin­gend war (siehe unter “Gesund­heit” wei­ter unten), habe nötige Sachen ein­ge­kauft, das neue Fahr­rad ist so gut wie fer­tig, nur der Zweit­schlüs­sel für den Nach­barn fehlt noch. Im Prin­zip bin ich also abfahr­be­reit, aber ich weiß halt nicht, wann. Ich sitze und warte und ver­su­che nicht zu viel daran zu den­ken, aber ich will jetzt end­lich los. Ich will das hin­ter mir haben.
Und in der Zwi­schen­zeit schlage ich mich mit Igor rum.

Depres­sion
Theo­re­tisch war mir ja immer klar, dass die Depres­sion chro­nisch ist und jeder­zeit wie­der kom­men kann. Nach zwei Jah­ren mit nur sel­te­nen und rela­tiv harm­lo­sen Epi­so­den war ich aber nicht drauf gefasst, dass es mich aus­ge­rech­net nach der guten Nach­richt aus Malente erwischt und dass es noch ein­mal so eine schlimme Phase sein würde.
Mit der Erleich­te­rung und der Freude fiel die Anspan­nung von ein­ein­halb Jah­ren ab und ich rutschte ganz tief ins schwarze Loch. Auf ein­mal waren alle “Losig­kei­ten” wie­der da, allen voran die Antriebs- und die Hoff­nungs­lo­sig­keit. Dazu wie immer die Frage: warum mach ich das alles? Kann ich es wirk­lich schaf­fen, meine Ess­stö­rung in den Griff zu bekom­men, kann es gesund­heit­lich über­haupt noch­mal auf­wärts gehen und mir etwas mehr Lebens­qua­li­tät geben? Was, wenn nicht? Ich fand keine Ant­wor­ten, es gab kein Licht.
In den letz­ten paar Wochen hab ich mich nach und nach aus dem Loch gequält, aber so wirk­lich hell ist es noch nicht. Eigent­lich möchte ich nur irgendwo still sit­zen oder schla­fen. Nichts müs­sen, nichts wol­len, nichts den­ken. Ich halte aus, wie immer - “fake it until you make it” -, aber die Kraft dazu schwindet.

Trau­er­zeit
Und dann kam mit­ten in der Depres­sion, aus­ge­löst durch einen Traum von M., aus dem ich wei­nend auf­wachte, auch noch eine Woche vol­ler Trauer und Trä­nen. Ich träume immer noch immer wie­der von ihm; meis­tens kann ich das recht schnell weg schie­ben, aber die­ses Mal hat es mich kom­plett über­rollt. Die­ses Mal war es zu nah am sowieso gegen­wär­ti­gen Schmerz über mein Allein-Sein.
Diese Bezie­hung war ein­fach die mit gro­ßem Abstand wich­tigste für mich. Nie vor­her oder nach­her *) habe ich jeman­den so sehr, so tief, so mit all mei­nem Sein geliebt. Er war DER Mann für mich, der, mit dem ich alt wer­den wollte, dem ich ver­trauen wollte, dem ich alles geben wollte. Als er ging, war es, als würde mein Herz in Stü­cke rei­ßen. Es ist nicht gebro­chen, son­dern rundum und bis in tiefe Schich­ten auf­ge­ris­sen. Die Nar­ben, die sich im Laufe der Zeit gebil­det haben, sind nicht glatt, son­dern rau und ris­sig und wenn dann ein Trig­ger kommt, ist es, als würde ich Schorf von einer Wunde zie­hen und es fängt sofort an zu blu­ten.
Es hat eine Weile gedau­ert, bis ich wie­der in mei­nem Jetzt war, bis ich wie­der anneh­men konnte, was ist und wie anders mein Leben ver­lau­fen ist als damals erträumt. Ich wußte, dass ver­drän­gen dies­mal nicht hilft, also habe ich aus­ge­hal­ten, die Trauer und die Trä­nen zuge­las­sen, mich bewußt erin­nert und gewar­tet, bis genug Haut nach­ge­wach­sen war. Mehr konnte ich nicht tun. Ich hoffe nur, dass die neue Haut lange hält.

*) Einen ein­zi­gen ande­ren Men­schen gibt es, den ich mit der glei­chen Inten­si­tät, Tiefe und Bedin­gungs­lo­sig­keit liebe, wie ich M. liebte, und das ist die Toch­ter. Es ist eine andere Art der Liebe, aber es ist eine gute und gegen­sei­tige Liebe und ich bin zutiefst dank­bar dafür.

Gesund­heit
Nach­dem das Krib­beln in den Füßen nicht mehr nur unan­ge­nehm bis ner­vig war, son­dern manch­mal auch sehr schmerz­haft (wie kurze Strom­stöße), hab ich mir im Februar end­lich einen Ter­min bei einer Neu­ro­lo­gin geholt. Sie hat bestä­tigt, was ich von Tante Google schon ahnte: es ist Poly­neu­ro­pa­thie als Folge der Dia­be­tes. Noch nicht sehr schlimm, aber das was jetzt da ist, wird auch nicht wie­der weg gehen. Etwas auf­hal­ten und vor allem bes­ser aus­hal­ten lässt es sich mit einem Medi­ka­ment, das gleich­zei­tig auch als Anti­de­pres­si­vum ein­ge­setzt wird. Das wollte ich ja eigent­lich nie wie­der, aber nach­dem es gegen meine zu der Zeit akute Depres­sion sowieso nicht gewirkt hat, war es dann egal. Das Krib­beln ist jeden­falls aushaltbar.

Im März war ich bei der Augen­ärz­tin, weil ich seit eini­ger Zeit vor allem auf dem lin­ken Auge wie­der schlech­ter sehen konnte. Damit hatte ich dann eine Laser­be­hand­lung gewon­nen, denn es hatte sich ein sog. Nach­star gebil­det. Diese Behand­lung fand 5 Wochen spä­ter statt, war bis auf die Panik­at­ta­cken vor­her nicht wirk­lich schlimm und wirkte sofort. Auf dem rech­ten Auge ist auch was zu sehen, aber das hat Zeit auf jeden Fall bis nach Malente.
Zusätz­lich zum Nach­star hatte ich im rech­ten Auge eine kleine Blu­tung und durfte zur Beloh­nung zwei­mal 24 Stun­den mit einem Blut­druck­mess­ge­rät ver­brin­gen. Das mit der Beloh­nung ist natür­lich iro­nisch gemeint, weil das über­haupt kei­nen Spaß macht, wenn alle Vier­tel­stunde (bzw. alle halbe Stunde in der Nacht) der Arm abge­quetscht wird. Aber gut, jetzt weiß ich, dass mein Blut­druck bei allen mög­li­chen und unmög­li­chen Gele­gen­hei­ten in schwin­delnde Höhe schießt und hab außer­dem noch ein Medi­ka­ment mehr zum Frühstück.

So rich­tig gut war im April dann aber der vier­tel­jähr­li­che Besuch in der Dia­be­tes­pra­xis, denn da war deut­lich zu sehen, dass das Insu­lin, das ich seit letz­tem Okto­ber täg­lich spritze, wirk­lich wirkt. Der Blut­zu­cker-Lang­zeit­wert ist von 10,7 auf 7,3 run­ter gegan­gen - und ich hab sogar 4 kg abge­nom­men! Davon ist eins zwar wie­der da, aber das finde ich grade nicht so schlimm. Dafür warte ich ja auf Malente. 

The­ra­pie und Hilfe-Dings
Im März hatte ich mein (vor­erst) letz­tes The­ra­pie­ge­spräch. Ich habe beschlos­sen, dass es gut ist wie es ist. Seit April 2018 war ich bei ihr, drei Jahre lang wöchent­lich, danach ein­mal im Monat. In den letz­ten Gesprä­chen hab ich eigent­lich haupt­säch­lich erzählt, was in der Zwi­schen­zeit so los war, aber wirk­lich the­ra­peu­tisch, z.B. an der Ess­stö­rung, haben wir nicht mehr gear­bei­tet. Wie sich zeigt, hab ich meine Depres­sion ja auch im Griff und kann sogar mit sol­chen schwe­ren Epi­so­den umge­hen. Ich hab so viel gelernt in den Sit­zun­gen und mir genü­gend Skills erar­bei­tet, dass ich alleine gehen kann. Das fühlt sich manch­mal noch komisch an, aber es passt. Ich werde mich aber auf jeden Fall nach Malente noch­mal bei ihr mel­den und je nach Lage wird es eine Abschieds­stunde oder sie bean­tragt eine Kurz­the­ra­pie von 3 Mona­ten, um even­tu­ell übrig geblie­be­nes aus der Kli­nik fer­tig zu bear­bei­ten.
Dass ich die The­ra­pie los las­sen kann, liegt natür­lich auch daran, dass das Hilfe-Dings ja wei­ter­hin da ist. Die wöchent­li­chen Gesprä­che mit Frau R., die Mitt­wochs­gruppe, die Aus­flüge mit ande­ren Klient:innen … das tut mir gut. Das ist mein sozia­les Netz in “real”, das mich trägt.

An die­ser Stelle mal wie­der ein Danke an die Men­schen, die an mei­ner Seite ste­hen: ohne euch würde und könnte ich mich nicht immer wie­der nach oben kämp­fen. (Ihr wißt, wen ich meine.)

War­ten
Die Zeit, bis end­lich eine Nach­richt aus Malente kommt, ver­su­che ich irgend­wie ver­nünf­tig zu fül­len (und ent­ge­gen des Bedürf­nis­ses nicht nur zu ver­schla­fen). So habe ich ange­fan­gen, eine Zeit­leiste mei­nes Lebens zu erstel­len, weil ich inzwi­schen Jah­res­zah­len ver­gesse oder durch­ein­an­der werfe. Das Gerüst steht, das Lay­out auch, jetzt muss ich es fül­len. Dazu muss ich aber in die Ver­gan­gen­heit tau­chen und anhand von Fotos und Tage­bü­chern Ereig­nisse mit Daten zusam­men brin­gen und das ist nicht grade leicht. Da kommt so vie­les wie­der hoch, so viele Erin­ne­run­gen, die schwie­rig sind. Der Gedanke war, anhand der Liste viel­leicht erken­nen zu kön­nen, wann die Ess­stö­rung los ging und womög­lich sogar Ursa­chen zu fin­den, aber da hängt eben noch so viel mehr dran. Noch hab ich kein Sys­tem gefun­den, alles zu sor­tie­ren in rele­vant oder “kann für immer weg”. Und man­ches­mal muss ich mich zwin­gen, was ande­res zu tun, weil es zu tief nach unten geht. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umge­hen kann.

Was ich weiß: ich geb nicht auf, trotz allem.

***

P.S. Und weil das zur Chro­nik gehört, erwähne ich hier noch­mal extra, dass mein Blog seit Februar in Uschis Blog­samm­lung “blogs50plus” ein­ge­tra­gen ist. Das ist eine Samm­lung “zum Suchen, Fin­den und Ent­de­cken” und hat inzwi­schen fast 300 Blogs gelis­tet, die von Men­schen ab 50 betrie­ben wer­den. Guckt doch mal rein, bestimmt fin­den sich inter­es­sante Themen!

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