Anfang Juli waren wir mit der Mittwochsgruppe im Speicherstadtmuseum und anschließend gemütlich Kaffee trinken. Weil das länger dauerte als eine normale Runde, fiel die Gruppe in der Woche darauf aus. Ziemlich spontan haben wir uns zu dritt zusammen getan und sind statt dessen einfach mal eben nach Flensburg gefahren - mit Deutschland- und Länderticket kein Problem. Ich wollte da ja sowieso schon ganz lange mal hin: zum gucken, aber auch ein bißchen mit der Frage im Hinterkopf, ob es sich da leben lassen könnte alternativ zu Hamburg.
So trafen wir - C., G. und ich - uns also am Mittwoch, den 12.07. um viertel vor zehn im Zug. Der Plan war, in Flensburg vom Bahnhof aus mit dem Bus zum ZOB zu fahren und ab da zu Fuß die Innenstadt zu erkunden: erst ein ganzes Stück am Wasser entlang bis zum Museumshafen, dann quer bis zum alten Stadttor und dort durch die Fußgängerzone zurück bis zum Bahnhof. Als wir aus dem Bahnhof kamen, stand da grade ein Bus, der wollte auch zum ZOB, akzeptierte aber das Schleswig-Holstein-Ticket von C. nicht und wollte auch dringend jetzt los. Wir schauten uns nur kurz an, ließen ihn fahren und machten uns zu Fuß auf den Weg. (Ich liebe es, wenn Kommunikation so einfach funktioniert!)
Dadurch kehrte sich allerdings die Reihenfolge unserer Tour um, was sich im Nachhinein aber als goldrichtig heraus stellte. C. und G. wollten sowieso am allerliebsten Schaufenster gucken und waren damit mehr als glücklich und beschäftigt. Ich hab es ja nicht so mit Konsum und Einkaufen und so, darum hab ich mich auf ungefähr ein Drittel der Läden beschränkt mit dem Gucken (Bücher, Schreibwaren, Geschirr und sowas darf dann schon sein) und in der restlichen Zeit fotografiert. Zwischendurch gab es kleine und größere Pausen auf Bänken, auf anderen Bänken und eine in einem Café mit leckerem Kaffee & Kuchen (und einem Klo).
Erstaunlicherweise war ich absolut nicht genervt davon, dass ich oft auf die Beiden gewartet hab, was sonst eigentlich schnell der Fall ist. Die Stimmung war einfach so gut, das Wetter entgegen aller Voraussagen mit fast durchgängig Sonne und nur ganz kurzen Tröpfeleinheiten perfekt, das Lauftempo auf unser aller Bedürfnisse - sprich: auf gemütliche Langsamkeit reduziert und natürlich sind wir uns inzwischen so vertraut, dass wir total entspannt miteinander sein können.
Vom Bahnhof aus sind wir also zuerst ein ganzes Stück an großen Straßen längs gelaufen, bis wir endlich am Südermarkt ankamen. Da war tatsächlich grade Markt, nicht sehr groß, aber bunt und mit vielen regionalen Ständen - und zu C.’s großer Freude auch einer mit Fischbrötchen. Wir saßen eine ganze Weile am Rand im Schatten und schauten dem bunten Treiben zu.
Ab hier ging es dann fast schnurgerade den Holm entlang — wobei das mit dem “grade” eigentlich nicht stimmt, denn es war eher ein Zick-Zack-Weg von einem Geschäft zum nächsten bzw. einer Hausfassade zur anderen, immer hin und her von rechts nach links nach rechts. Dazwischen gab es idyllische sog. “Kaufmannshöfe” zu gucken, manche breit und öffentlich, z.T. mit Cafés, andere ganz schmal und intim.
Die historischen Häuser am Holm, in der Großen Straße und der Norderstraße sind einfach wunderschön. Liebevoll restaurierte und instand gehaltene Kapitäns- und Kaufmannshäuser säumen den Weg vom Süder- bis zum Nordermarkt. Den Anfang markiert die St. Nikolaikirche, das Ende die St. Marienkirche, beide mit den hohen Türmen weit zu sehen, dazwischen steht auf halbem Weg die dänische Heiliggeistkirche.
Die Straßen sind breit genug, so dass man nicht dauernd über fremde Füße stolpert (in der Hochsaison wird sich das aber vermutlich ändern), an der schattigen Seite stehen viele Bänke und es gibt reichlich Cafés und Restaurants. Fahrrad fahren ist in der Fußgängerzone übrigens nur von 22:00 bis 10:00 erlaubt! Bei den wenigen, die sich nicht daran halten, merkt man auch schnell, dass das sinnvoll ist.
In fast jedem Haus sind Shops, natürlich überwiegend von den üblichen Ketten, die man in jeder Stadt findet. Es gibt aber auch kleine, inhabergeführte und besondere Läden mit Dingen, die in Flensburg oder in der Region hergestellt werden. Auch wenn das Angebot riesig ist und fast überwältigt, hat eine zentrale Einkaufsstraße natürlich den Vorteil, dass man eben wirklich alles dort einkaufen kann und nicht in diverse Stadtteile fahren muss.
Unsere gute Stimmung wurde mit Sicherheit auch von der allgemeinen Atmosphäre in Flensburg beeinflußt. Ich hab in Deutschland selten eine Stadt erlebt, in der man als Fremde nett angelächelt wird und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder, scheinbar völlig grundlos. Naja, vielleicht waren wir drei “Grazien” auch ein lustiger Anblick und strahlten unsere gute Laune nach außen, aber die Freundlichkeit der Menschen auf der Straße war wirklich besonders. Es wird gesagt, dass das auch daran liegt, dass Flensburg ganz nah an Dänemark liegt und sogar eine eigene dänische Gemeinde hat. Und wer das Wort “hyggelig” kennt, kann sich vielleicht vorstellen, welche Wirkung das auf eine Stadt und ihre Bewohner:innen haben kann.
Ursprünglich hatten wir überlegt, auf der Norderstraße bis zum Ende am Nordertor zu gehen, aber auf dem letzten Stück war so gut wie nichts mehr los. Vor allem wurde uns bewußt, dass wir mittlerweile schon seit vier Stunden unterwegs waren (plus eine Stunde Kaffeepause) und den ganzen Weg ja auch irgendwie wieder zurück müssen, aber auf jeden Fall auch noch ans Wasser wollen. Die nächste Querstraße führte uns also nach rechts und direkt zum kleinen Museumshafen.
Dort stehend geht der Blick erst über die Förde auf das gegenüberliegende Ufer mit den vielen Segelbooten, die dort im Hafen liegen und auf den Stadtteil Jürgensby, dann nach rechts zur Hafenspitze und auf die Altstadt. Das alles ist so hübsch wie auf Postkarten, nur in echt. Ein bißchen wie Hamburg, nur kleiner.
Nach einer letzten Pause gingen wir am Wasser entlang zurück, genoßen die letzte Sonne und die milde Wärme. Die Füße waren müde gelaufen und wir beschloßen darum, von hier mit dem Bus zum Bahnhof zu fahren. Den Zug um 18:15 würden wir nicht mehr schaffen, der nächste fuhr eine Stunde später; also überbrückten wir die Wartezeit in einem Café und waren dann rechtzeitig um kurz vor sieben am Bahnhof. Bevor wir zum Gleis hoch gingen, wollte G. noch schnell eine rauchen - ist ja genug Zeit, dachten wir. Dass die Bahn mal eben den Fahrplan geändert hat und der Zug nach Hamburg schon um 19:06 abfuhr, merkten wir leider erst beim Blick auf dessen Rücklichter.
Tja, da standen wir nun und mussten eine weitere Stunde irgendwie rumbringen. In die Stadt zurück lohnte sich nicht, am Bahnhof gibt es nichts außer den Bänken am Gleis. Aber jammern und meckern hilft ja auch nicht, also liessen wir uns unsere gute Laune nicht verderben und quatschten einfach weiter. Der nächste Zug war dann auch schon 20 Minuten vor der Abfahrt bereit, so dass wir in aller Ruhe einen Platz suchen konnten. Die Rückfahrt war entspannt wie alles an diesem Tag, die Sonne ging nordisch-gemächlich unter, wir waren glücklich, müde und albern und gute zwei Stunden später endlich zu Hause.
Ein schönes Erlebnis gab es noch an der U-Bahn, die grade losfahren wollte, als ich die Treppe runter kam: ich dachte, ich hätte sie jetzt eh verpasst und ging in aller Ruhe weiter, da öffnete sich neben mir die Tür und ich konnte noch schnell einsteigen. Herzlichen Dank an den Fahrer, der mich gesehen hatte!
Auf dieser Karte kann, wer mag, unsere kleine Tour ansehen.
Und ich muss jetzt nachdenken. Ob das wohl eine Stadt zum wohnen und leben wäre für den Rest meiner Zeit? Dazu aber irgendwann mehr in einem extra Text.
So schöne Fotos. Danke. Da bekomme ich gleich Sehnsucht nach Flensburg - eine tolle Stadt. Sehr viel Weite und viel dänischer Einfluß. Ich fand es einfach, in Kontakt zu kommen.
Danke! Ja, Flensburg hat definitiv Lebensqualität. Mal gucken, wie es mit uns weiter geht.
Moin Ulrike, was für ein schöner Text über euren Ausflug nach Flensburg. Vielen Dank für die sightseeing! Klasse dass ihr so die Ruhe bewahrt habt, bei den Widrigkeiten die auftauchten (rauchen/ Zug weg etc.) Genau richtig eigentlich- wieso sollte man sich den Tag versauen von solchen Kleinigkeiten. Obwohl es mir recht oft so geht.…da gibt’s noch was zu lernen.
Ich habe mich besonders darüber gefreut, weil ich tatsächlich auch Flensburg ins Auge gefasst hatte, um dort “die letzten 1-2 ( wer weiß dass schon?) Jahrzehnte zu verbringen. Nur so als Idee bisher. Aber anscheinend bin ich damit nicht wer alleine.
Beetschwester! Ich grinse, du weißt, warum :-)))
Gucken wir mal, was so passiert!
Klasse geschrieben und bebildert.
Danke fürs Mitnehmen.
Danke für’s Mitkommen! <3