Depression Notes 11-05-2020

Obwohl ich mich bereits seit über 8 Jah­ren mit der Depres­sion rum­schlage und mich lang­sam mal aus­ken­nen sollte, erwischt er mich jedes Mal wie­der: der Fall nach dem Hoch. Ich weiß wirk­lich nicht, warum, aber ich ver­gesse ein­fach immer, dass das die nor­male Folge ist. Es gibt kein dau­er­haf­tes Oben, es sind High­lights. Die sind toll, aber eben genau das, was das Wort meint.
Das Gute ist, dass es inzwi­schen auch keine per­ma­nen­ten Tiefs mehr gibt. Die hal­ten zwar noch deut­lich län­ger an als so ein Hoch, aber irgend­wann pen­delt es sich auch wie­der ein auf das “Okay” - so lau­tet meine Bezeich­nung für die Mitte in mei­ner Stimmungs-App.

Stimmungen in der App "Daylio": Super, Gut, Okay, Schlecht und Miserabel, dargestellt mit Smilie-Gesichtern.

Das ist der Durch­schnitt, das Level, auf dem ich nicht viel fühle (weder gut noch schlecht), meine Tage vor mich hin lebe, ohne große Bedeu­tung und Erwar­tung. Das macht kei­nen wirk­li­chen Spaß, ist aber auch nicht schlimm. Im bes­ten Fall heißt es auch, dass ich die Stim­mungs­schwan­kun­gen auf­fan­gen kann.
Ob ich irgend­wann lerne, dass diese Wel­len­be­we­gung nor­mal und in Ord­nung ist?

Trotz des Tiefs nach dem Hoch hab ich letzte Woche rich­tig gut und viel gear­bei­tet: an 5 Tagen hin­ter­ein­an­der je 3 Stun­den, manch­mal ohne Pause. Für meine Ver­hält­nisse ist das wirk­lich viel und macht mich zufrie­den.
Der Schubs war ein Tele­fo­nat mit der bes­ten Toch­ter der Welt, die mir ihr Ver­trauen aus­spricht und an mich glaubt, wenn ich es schon nicht kann. Ich muss sie drin­gend anru­fen, die Ener­gie ist schon wie­der fast ver­braucht und die Web­seite noch lange nicht fertig …

*) Arbeit heißt bei mir nach wie vor alles, was mit Web­sei­ten­kram, Gra­fik etc. zu tun hat. The­ra­pie und das Leben an sich sind auch Arbeit, aber sie hei­ßen nicht so.

Auch letzte Woche traf ich mich das erste Mal seit Wochen (wie­viele? Ich kann das auch nicht mehr zäh­len) wie­der mit Frau R. vom Hil­fe­dings in echt. Also so rich­tig live, nicht zum Anfas­sen, aber von Ange­sicht zu Ange­sicht. Sie war kurz in mei­ner Woh­nung - mit viel Abstand natür­lich - und danach saßen wir eine Stunde auf unse­rem Dorf­platz in der Sonne. Am Tag davor waren die Spiel­plätze wie­der geöff­net wor­den, dem­entspre­chend waren viele Fami­lien unter­wegs, aber die Freude in den Kin­der­ge­sich­tern zu sehen, machte den Lärm ver­ges­sen.
Das Gespräch tat mir gut, der Aus­tausch über die Befind­lich­kei­ten, über den Umgang mit der Coro­na­si­tua­tion, ein biß­chen All­tags­zeug und was sich so getan hat in der Zwi­schen­zeit. Das ver­misse ich ja doch, die­ses unge­zwun­gene Reden über dies und das, auch wenn ich mich als Ein­sied­le­rin bezeichne und wohl fühle. Ganz ohne mensch­li­chen Kon­takt geht’s dann doch nicht und auf immer reicht das Vir­tu­elle nicht aus.

Heute. Am frü­hen Mor­gen ein Traum, nur kurz, fast hätte ich ihn ver­ges­sen.
Ich war beim alten Job im Büro, wie so oft. Dies­mal aber war nicht die Che­fin da, die mir Anwei­sun­gen gibt und an mir rum­nör­gelt und mich unter Druck setzt wie sonst in die­sen Träu­men. Die­ses Mal war nur der Chef da, irgendwo im Hin­ter­grund. Ich hab irgend­was unwich­ti­ges gemacht, Mails beant­wor­tet, etwas kor­ri­giert? Ich weiß nicht mehr genau. Irgend­wann ging ich nach Hause mit den Wor­ten “ich komme dann nicht wie­der”. Und wenn ich jetzt im Nach­hin­ein daran denke, dann hab ich Herzklopfen.

Nach­mit­tags, auch heute. Son­nen­strah­len durch­bre­chen die dicken Wol­ken­berge. Ein Bild streift durch mei­nen Kopf, nur kurz:
Eine schmale Straße mit alten Häu­sern in einer gro­ßen Stadt, Paris viel­leicht oder New York. Hohe Bäume auf bei­den Sei­ten, Kas­ta­nien, Pla­ta­nen, in vol­lem Grün. Es ist heiß, die Luft flirrt. Die Fens­ter ste­hen weit offen, die alten Fens­ter­lä­den davor sind geschlos­sen, so dass Licht und Luft her­ein kön­nen, im Inne­ren aber bleibt es kühl. Es ist Mit­tags­zeit, nur wenige Geräu­sche kom­men von drau­ßen. Ein Schreib­tisch am Fens­ter, dar­auf ein Note­book, eine Karaffe Was­ser mit Eis­wür­feln und Minz­blät­tern darin, der Ven­ti­la­tor surrt, irgendwo spielt jemand Kla­vier. Die Lang­sam­keit des Som­mers. Die Gelas­sen­heit, mit sich selbst gut zu sein.

Und zum 137tausendstenmal der Gedanke, wie schön es doch wäre, tage­buch­blog­gen zu kön­nen. Aber wer will denn das schon lesen.

4 Kommentare

  1. Liebe Ulrike.
    Danke für die­sen Bei­trag. Du bist nicht alleine mit die­sen Gedan­ken. Und ich würde sehr gerne einem poten­zi­el­len Tage­buch­blog von dir “fol­gen”. Aber auch so lese ich deine Bei­träge sehr gerne. Das spen­det mir so viel Kraft. Und ich hoffe dir auch.

    1. Ganz vie­len Dank dafür, liebe Lynn! Ja, das gibt defi­ni­tiv Kraft. Auch wenn so ein Blog in ers­ter Linie für mich selbst ist, ist es auch schön, nicht nur “ins Blaue” zu schrei­ben, son­dern zu wis­sen, dass es gele­sen wird.

  2. Ich lese dich. Immer. Gern.

    Weil ich dich mag und mich inter­es­siert, was du erlebst.

    Aber letzt­lich bloggt ja eh jede:r für sich selbst. Das darf und ist auch gut so. 

    (Der Stoff­wech­sel der Seele bei mir.)

    1. (Du weißt doch sowieso alles 😉 😘)

      Wenn ich nicht auch gele­sen wer­den wollte, würde ich Tage­buch schrei­ben, so ein rich­ti­ges, wie frü­her. Darum schreibe ich zwar für mich, wäh­rend ich schreibe, frage mich aber auch beim Ver­öf­fent­li­chen, wer das wohl noch alles lesen wird außer den drei oder vier, die ich dank des Likes sehen kann.

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