Depression Notes 22-03-2020

Ich schlafe wie­der mit geball­ten Fäus­ten, beim Auf­wa­chen tun meine Hände weh.

Immer wie­der der kurze Traum von einer der Kat­zen, wie sie auf dem Bal­kon­ge­län­der turnt und dann fällt. Außer­dem sollte ich viel­leicht doch mal eine Strich­liste füh­ren, wie oft ich eigent­lich noch von mei­nem letz­ten Job träume, der doch schon 8 Jahre her ist. So unglaub­lich viel Ver­let­zung ist da noch übrig, es erstaunt mich immer wie­der. Oder eigent­lich auch nicht. 


Das erste, was ich mor­gens denke, ist: das hast du doch geträumt, oder? Und dann fällt mir ein: nein, das pas­siert wirk­lich, das mit dem Virus und dem Zuhau­se­blei­ben­müs­sen und dass alles so anders ist. Ich kann nicht gut umge­hen mit dem Nach­rich­ten­strom, mit all den Gedan­ken dazu. Immer noch schwirrt in mei­nem Kopf alles durch­ein­an­der, von Panik über schlech­tes Gewis­sen bis zu Mir-egal und wie­der zurück, manch­mal im Minu­ten­takt.
Es ist so gro­tesk, absurd, sur­real. Wie oft haben wir sowas schon in fik­ti­ven Fil­men und Serien gese­hen und waren über­zeugt, dass sowas nicht in echt sein kann? Wir sind auf sowas nicht eingestellt. 


Irgend­wie absurd ist auch, wie sich vie­les nun umdreht. Die, denen sonst immer gesagt wird, sie sol­len doch mal raus gehen, geben nun den ande­ren Tipps, wie so eine Qua­ran­täne aus­zu­hal­ten ist. Wir müs­sen uns keine Ent­schul­di­gun­gen mehr zurecht legen, weil wir Men­schen­an­samm­lun­gen lie­ber mei­den, son­dern dür­fen ganz legi­tim zuhause blei­ben.
Und auch wenn es nicht viel ist, was der Staat für arbeits­un­fä­hige Men­schen zur Ver­fü­gung stellt: zumin­dest ist das sicher jeden Monat auf dem Konto, wäh­rend so viele in den “nor­ma­len” Jobs und vor allem Selb­stän­dige um ihr Geld ban­gen müs­sen. Wenigs­tens für diese Situa­tion sind die Hartz4er im Vor­teil. Naja, aller­dings auch nicht über­all: wenn die Hams­ter­käu­fe­rIn­nen alle Nudeln auf­ge­kauft haben und nur noch die teu­ren übrig sind, dann kann ich gar keine kau­fen. Dafür greife ich im Moment lie­ber zum in Plas­tik ver­pack­ten Gemüse, obwohl das gegen jeg­li­ches Umwelt­ver­ständ­nis für mich geht. Das Para­doxe in Zei­ten einer Krise.


Noch halte ich mich auf­recht, ver­su­che, mit der Situa­tion umzu­ge­hen und was Gutes draus zu machen. Aber in man­chen Momen­ten merke ich bereits, wie es in mir drin anfängt zu brö­ckeln. Wie die Stim­mung sich ändert, die Haut wie­der dün­ner wird.
Wie lange schaff ich das ohne The­ra­pie? Wir haben grade ange­fan­gen, an einem wirk­lich gro­ßen, wich­ti­gen Thema zu arbei­ten, jetzt hänge ich am Anfang davon und komm nicht wei­ter. Alleine trau ich mich nicht, ich weiß nicht, wo ich da lande. Aber am Tele­fon oder per Video­schal­tung kann ich mir die Sit­zung nicht vor­stel­len, das ist zu viel Distanz. Ich will sie sehen kön­nen dabei, ich brau­che die­sen Kon­takt, ich brau­che ihre Reak­tion auf mein Gesag­tes. Das hab ich nicht, wenn ich mich dau­ernd dar­auf kon­zen­triere, ja nicht zu doof aus­zu­se­hen auf dem Bild­schirm. Aber wenn die Aus­gangs­sperre kom­men sollte, dann muss ich es machen. Die Vor­stel­lung ist schlimm.

Das Hil­fe­dings fällt auch aus, es gibt kei­nen Ein­zel­ter­min (sie ist aller­dings tele­fo­nisch zu errei­chen) und die Mitt­wochs­gruppe trifft sich nicht. Ich war zwar am über­le­gen, ob ich da über­haupt wei­ter hin will, aber die Ent­schei­dung würde ich gerne selbst tref­fen.

Mir feh­len diese drei Ter­mine, die meine Woche struk­tu­riert haben. Die mir einen Grund zum Auf­ste­hen gege­ben haben. Jetzt weiß ich oft nicht­mal, wel­cher Tag ist, weil sie alle gleich ver­lau­fen. Nein, das ist nicht gut, über­haupt nicht.


Zumin­dest sind die Ober­nach­barn nicht ganz so laut wie befürch­tet. Das ist ja immer­hin was.

5 Kommentare

  1. Man macht sich viel zu wenig Gedan­ken dar­über mit was im ein­zel­nen die Men­schen nun zu wup­pen haben!
    Gutes dir.
    Herz­li­che Grüße
    Ulli

  2. Denk an Dich. Bleib behütet.

    Ich denke viel an alle, die jetzt unter die Räder kommen.
    Depres­sive und andere psy­chisch Kranke, Behin­derte, Alte, Kin­der und Frauen in Gewalt­fa­mi­lien, Sucht­kranke, Reha­pa­ti­en­tIn­nen … … … sie sind Legion!

    Wir alle brau­chen Men­schen, Mitmenschen.

    LG und danke für Dei­nen Beitrag.
    Hille

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