Musik ist eine zarte Säge,
Frederike Frei
die einfach eindringt
in den Leib
und die
federleichten Teile
von den schweren trennt.
Vor einigen Tagen oder vielmehr Nächten bin ich auf alte, lang nicht mehr gehörte Musik gestoßen, die mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht (und zu meinem Glück auch zu hören ist, ganz in echt. Ich sag nur: Dauerschleife.).
Sie macht glücklich, sentimental, traurig, sehnsuchtsvoll, melancholisch, hab ich schon sentimetal erwähnt? - alles auf einmal. Nicht abwechselnd, sondern tatsächlich ein einziger Gefühlsmix, der bis in die Träume reicht.
Was Musik eben so macht mit einem:einer. Hachja.
(Nein, ich verrate nicht, welche Musik das ist. Reicht doch schon, dass ich mich hier mit Eros geoutet hab, oder?)
Gestern hab ich es zweimal zu jemandem gesagt und es stimmt wirklich: mir geht es grade richtig gut. Nicht, dass es keine doofen Momente gäbe oder auch mal einen Tag, den ich einfach vorbei ziehen lasse, weil er eher “naja” ist, aber die ganze Grundstimmung ist gut. Da ist kein Loch in Sicht, noch nichtmal eine Grube. Seit ich Igor nicht mehr als Feind sehe, liegt er still in seinem Körbchen und guckt mich zufrieden an. Auch, dass in der Therapie einiges ansteht (siehe meinen Beitrag vom 16.04.) schreckt mich nicht so sehr, dass ich Panik kriegen müsste. Es ist okay, ich muss da ran, es wird sicher nicht schön, aber es wird danach hoffentlich etwas leichter.
In meinem Kopf kreisen natürlich weiterhin die Gedanken um alte Muster aus der Kindheit, um verquere Einstellungen, die so vieles be- und verhindern, um tausend Fragen, auf die ich noch immer keine Antwort habe oder auf die die Antwort je nach Verfassung anders ausfällt (immer wieder gerne: hab ich das verdient, darf ich glücklich sein, darf ich so leben? Aber das gibt einen eigenen Beitrag hier, demnächst). Trotzdem bin ich entspannter, gelassener, zuversichtlicher irgendwie. Da ist ein frisches Blau im Grau, das ist schön.
Es gab ein paar Mails mit der Schwester, mit der ich letztes Jahr den Kontakt abgebrochen habe. Ein Familienthema, es ging um die Gedichte des Großvaters. Ohne hier in Einzelheiten zu gehen: aus ihren Sätzen las ich erneut, dass sie nicht verstehen kann, was Depression bedeutet. Noch vor einiger Zeit hätte ich mich aufgeregt, ihr vermutlich bissig-sarkastisch zurück geschrieben - jetzt denke ich: dann ist es eben so. Ich werde nichts ändern an ihrer Sichtweise, wenn ich mich ärgere. Sie hat ihre Gründe und das ist okay. Es bedeutet zwar auch, dass ich weiterhin keinen wirklichen Kontakt mit ihr haben werde (weil es auf Dauer dann doch an meine Substanz geht), aber dann ist auch das eben so.
Auch hier ist wieder die neue Gelassenheit, die ich so an mir nicht gut kenne. Ob ich sie halten kann?
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Was das Coronadings angeht, ist die Stufe 5 (Akzeptanz / Integration) aber für mich nach wie vor weit weg. Nur der erste Schock klingt jetzt etwas ab und ich pendle zwischen den Stufen 2 und 4. Ich höre den Fachleuten zu, allen voran C. Drosten, und ich werde mir immer mehr bewußt, dass ich nur auf mein eigenes Gefühl hören darf, egal was Menschen sagen, denen ich i.d.R. vertraue.
ICH muss da raus ein- bis zweimal in der Woche, das heißt ICH muss tun, womit ich mich irgendwie wohl fühle. Der Gedanke, dass das alles noch sehr lange dauern wird - bis nächstes Jahr?? - ist grauenhaft, aber dann trag ich den blöden Mund-Nase-Schutz eben so lange. Dann geh ich eben dieses Jahr nicht in den Park zu den Menschenmassen - ich war in den letzten Jahren auch selten da und hab es nicht groß vermisst.
Aber ja, im Vergleich zu vielen anderen geht es mir ja gut in dieser neuen Situation: ich kann gut alleine sein, vermeide das Draußen und die Menschen ja eh schon lange, muss kein Kind betreuen und nicht arbeiten, mein Geld ist wenig, aber pünktlich und sicher jeden Monat auf dem Konto. Ich muss deswegen kein schlechtes Gewissen haben. (Okay, am letzten arbeite ich noch. Das ist noch nicht dauerhaft im Bewußtsein angekommen.)
Nur die Tochter und der Enkel fehlen mir, sehr. Telefonieren ist kein Ersatz für eine fühlbare, echte Umarmung.
Was heute im Spiegel zu lesen war: “Man kann sich dabei als Faustregel merken, dass man sich nur mit einem kleinen Kreis von Leuten regelmäßig treffen sollte. Und dieser Kreis sollte möglichst gleich, also stabil, bleiben. Solange man die Kontakte nachvollziehen kann, hilft das sehr, Infektionsketten wieder zu stoppen.” (Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zentrum)
Unter diesen Voraussetzungen könnte es gehen, dass man sich innerhalb der Familie z.B. sehen kann, das würde sicher vielen Menschen helfen, die Zeit besser zu überstehen.
Und solange das Meer in weiter Ferne liegt dank des Virus, stöber ich in alten Fotos und gehe auf vergangene Reisen, ohne das Haus zu verlassen. So geht’s auch irgendwie.
Das klingt richtig tröstlich und ich freue mich sehr, dass es gerade so ist. Und ich wünsche mir so sehr, dass es so bleibt, also die igorbedingten Abs dich nicht mehr soo ausknocken wie “früher”.
*freufreu*
🥰 😘 🤗
(Wie schön das ist, dass ich weiß, dass du den ganzen Satz aus diesen 3 Gesichtern lesen kannst!)