Nachdem die Behörde ja ihr Okay gegeben hat, hab ich vor ein paar Tagen endlich meine Bezugsfrau von dem Hilfe-Dings (OdW) kennen gelernt. Insgesamt ist jetzt also etwa ein halbes Jahr vergangen, seit ich das erste Mal aktiv wurde in Richtung ASP. Zeit genug, mich damit auseinander zu setzen, dass ich hilfebedürftig bin. Eigentlich.…
Nein, angenehm ist der Gedanke nach wie vor nicht. Denn so im Großen und Ganzen krieg ich mein Leben doch halbwegs gut hin, trotz der Depression. Also, meistens jedenfalls. Naja, es gibt halt auch blöde Tage, an denen ich beschließe, dass der Kaffee auch ohne Milch schmeckt und unter die Marmelade aufs Knäckebrot nicht zwingend Butter gehört und ich darum nicht mehr einkaufen gehen muss, weil ich es einfach nicht schaffe mir was anzuziehen und die Haare zu kämmen und die Menschen im Supermarkt zu ertragen. Und meine Wohnung, ach, wer guckt denn da schon ob gesaugt ist oder nicht und ob sich da Spinnweben in den Ecken ansammeln und die Tapete von der Küchendecke fällt und der Teppich sich in seine Einzelteile auflöst, weil er einfach so alt und abgewetzt ist, ich meine, wen kümmert das schon, es sieht ja keiner, weil ja keiner zu Besuch kommt, denn ich kenne ja auch niemanden mehr, der kommen könnte einfach so.
Ich bin mir aber auch gar nicht sicher, ob ich überhaupt wirklich wieder neue Menschen kennen lernen will, denen ich mich dann wieder zu weit öffne und sie in mein Leben lasse und dann wie immer entweder enttäuscht werde oder sie mir doch wieder zuviel werden und dieses Kommunizieren mit anderen einfach so verdammt anstrengend ist, obwohl ich mich doch so sehr danach sehne. Nach Reden, nach Austausch, nach gesehen und verstanden werden und nach sehen und verstehen und nach Anerkennung und Gefühlen. Aber ich hab es verlernt, das richtige kommunizieren, ich falle schnell mit der Tür ins Haus und mit meiner ganzen Bedürftigkeit und Seele und werde dann wieder zuviel. Oder bin, weil ich es nunmal so gelernt habe, freundlich zu allen und mag nicht nein sagen und dann ist da wieder jemand, der mich zu sehr mag und ich nicht und ich kann nichts dagegen machen, weil ich nicht weh tun will. Ich will nie jemandem weh tun und tu dann lieber mir weh.
Und irgendwie ufert das hier grade ein bißchen aus in meinem Kopf. Nur weil ich jetzt offiziell Teil des Programms und hilfebedürftig bin. Und weil morgen mit der dienstäglichen Frauen-Schwimmgruppe der erste richtige Termin ansteht. Und ich jetzt schon wieder in Kreisen denke. Wie komme ich da hin? Den Hinweg schaff ich mit dem Fahrrad, aber bin ich für den Rückweg dann noch fit genug nach dem Schwimmen? Eine neue Fahrkarte für den Bus hab ich noch nicht, weil die Sozikarte noch nicht beantragt ist. Okay, ich kann natürlich auch mal eine Einzelfahrt bezahlen, aber dann muss ich noch ein ganzes Stück zu Fuß gehen und das schaff ich doch nicht und wann muss ich dann überhaupt los, damit ich auf jeden Fall pünktlich bin und ich kenne doch die anderen Frauen nicht, das wird ganz furchtbar! Ich sollte einfach nicht hingehen. Aber dann drück ich mich, wie immer und wie soll ich das erklären, vor allem vor mir selbst, weil ich niemandem ausser mir Rechenschaft schuldig bin.
Ja, doch, es scheint, als wäre ich ein bißchen hilfebedürftig. Und das ist erst der Anfang. Wie soll das weiter gehen?
Am liebsten würde ich einen Rucksack mit den wichtigsten Dingen packen und weg gehen, weit weg, und neu starten für die letzten zwanzig Jahre.
Sagt nichts, ich weiß es doch.