Ich war heute _so_ kurz davor, mich bei den Weight Watchers anzumelden. Weil Freundin I. schrieb, dass sie jetzt ein UHU ist. Weil ich sie unendlich beneide um die Disziplin, die sie dafür aufbringt. Weil es grade ein Angebot gibt und 6 Monate Mitgliedschaft “nur” 72 Euro kosten. Weil ich es nicht allein schaffe, diese Masse an zu viel Gewicht los zu werden, deren Auswirkungen mich an so vielem hindern, was ich doch so gerne tun würde.
Ich hab es nicht getan, hab die Anmeldung kurz vor Schluss abgebrochen. Ich schaff das nicht., Ich glaube nicht an mich.
22-09-2024 Von Sekundenträumen und Endlichkeit
Und dann hat der Herbst nach einer Woche dem Sommer doch noch eine kleine Verlängerung gewährt und uns (zumindest hier im Norden) milde Temperaturen bis 25° und richtig viel Sonne gebracht. Ich genieße es, so gut ich kann, sauge die Wärme auf und das leuchtende Grün der Bäume und gehe weiterhin barfuß oder auf Sandalen. Dieses Jahr mag ich den Sommer nicht los lassen, ich weiß nicht, was danach kommt, was nach dem Winter kommt.
Die Physiotherapie tat dem Rücken gut, aber wird das halten und wie lange? Die Arthrose im linken Knie kommt grade wieder, der rechte Fuß schmerzt inzwischen ohne Anlass von ganz allein, es wird mit jedem Jahr schlimmer. Wie lange kann ich noch alleine raus?
Auf gleicher Höhe wohnt seit ein paar Jahren im Nebenhaus ein Paar, etwas jünger als ich, die saßen immer den ganzen Sommer über auf ihrem Balkon. Dieses Jahr sieht man den Mann fast gar nicht mehr, dafür hört man seinen schlimmen Husten (COPD vermutlich) und ich versuche mir vorzustellen, wie das ist, nicht einmal mehr die paar Schritte auf den Balkon machen zu können geschweige denn es nach unten vor die Tür zu schaffen. Hält man das aus? Gefangen in der Wohnung?
Und ich? Geh auch nicht raus. Mag nicht alleine los, mag nicht unter vielen Menschen sein, hab Sorge, den Heimweg nicht mehr zu schaffen. Ich hab so viele Ziele im Kopf, wo ich gerne mit der Kamera hin möchte und schaff es nicht über alle Hürden, echte und vorgestellte. Was hindert mich denn daran, mich gleich noch “anständig” anzuziehen, die Kamera einzupacken und los zu gehen? Oder müsste ich lieber fragen: WER hindert mich außer ich mich selbst in meiner Unbeweglichkeit, meiner Bequemlichkeit?
Aber es ist ja auch nett, hier bei offener Balkontür am Schreibtisch zu sitzen, Fotos für die Tochter zu bearbeiten, hier zu lesen und da zu schreiben, schöne Musik dazu … Da will niemand was von mir, da vergeht die Zeit ganz wunderbar - und am Ende steh ich da und denke “das war alles?”
hatte so ein kurzes sehnen, wie ein vibrato, nach mehr, nach dem großen ganzen, dem anderen, aber dann hatte der alltag mich wieder.
Das schrieb vor kurzem eine Bloggerin, die ich gerne lese. Es kam mir so vertraut vor, ich kenne dieses Gefühl so sehr. Diese Sekundenträume, diese kurzen Momente von tiefster Sehnsucht nach etwas, das nicht zu fassen ist. Dann geht das Fenster wieder zu und du machst eben weiter wie sonst auch.
Ich spüre meine Endlichkeit, immer mehr. Nicht so, als ob ich nächste Woche sterben würde, aber das Wissen, dass die restliche Zeit begrenzt ist, wird deutlicher, präsenter. Gleichzeitig damit die Fragen “was will ich noch?” und “was schaffe ich noch?” Sortieren, welche Ansprüche wirklich meine sind und welche ich glaube, erfüllen zu müssen.
(Aber rede ich mir damit nicht schön, dass ich mich vor Veränderung, vor Anstrengung drücke und davor, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde?)
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Die Musik, die heute hier lief, ist von Claudio Constantini, einem peruanischen Bandeon-Spieler, der sowohl (argentinischen) Tango als auch klassische Stücke wie z.B. von Bach spielt. Es klingt ein kleines bißchen wie in diesen Träumen.
21-09-2024 Haustreffen
[nachgetragen am 29.09.2024]
Mitte August waren es 40 Jahre, seit ich in diesem Haus wohne. Erst mit Freundin B. in einer WG im 2. Stock; dort hab ich auch meine Tochter auf die Welt gebracht. Ein dreiviertel Jahr später war ich mit dem Vater der Tochter wieder zusammen, die Freundin selbst schwanger und im 1. Stock auf der anderen Seite wurde eine Wohnung frei, in die wir ziehen konnten. Perfektes Timing, um den Traum vom Wohnen mit Freunden im gleichen Haus wahr zu machen. Der Traum hielt aus diversen Gründen nicht sehr lange, übrig blieben die Tochter und ich.
Seitdem gab es natürlich immer wieder neue Nachbar:innen. Manche waren seltsam, manche nervig, viele richtig nett; ein paar leben nicht mehr oder sind weg gezogen. Meistens verstanden wir uns gut, es gab immer wieder kleine Treppenhausgespräche, aber eher selten gegenseitige Besuche, außer es handelte sich vorher schon um Freund:innen oder es war wie mit C. aus dem Hochparterre, mit dem ich ja mal - leider erfolglos - ein Arbeitsprojekt gestartet hatte. So richtige Treffen mit allen Hausbewohner:innen kamen aber leider nie zustande.
Dann zog letztes Jahr R. in die Wohnung im Souterrain, es kam der unendlich heiße Sommer 2024 und R. und C., die beide keinen Balkon o.ä. haben, trafen sich immer öfter auf der Treppe draußen vorm Haus. Irgendwann kamen die beiden auf eine Idee und vor vier Wochen saßen wir das erste Mal richtig mit Ankündigung für ein paar Stunden zusammen. Ein echtes Haustreffen!
R. hatte Tisch & Bänke, die wir vors Haus stellten, jede:r brachte Getränke mit, ich hab Avocadocreme zu Maischips gemacht. Leider waren nicht alle aus unserem Haus dabei, aber dafür kamen Menschen aus Nachbarhäusern dazu und es war einfach super schön.
Heute (also am 21.09.) gab es eine Wiederholung in ähnlicher Besetzung. Das Wetter spielte mit, so dass wir bis halb 12 nachts draußen sein konnten. Wieder setzten sich Menschen aus den Häusern drum herum dazu, blieben eine Weile, gingen wieder. Wir erzählten, tauschten uns aus, lachten, genossen die schöne Stimmung. Und wir werden das definitiv wiederholen, vielleicht noch einmal in diesem Jahr, auf jeden Fall im nächsten.
Was mir so gut tut daran, ist, dass ich wieder gesehen werde. Dass ich unter Menschen bin, die mich nehmen, wie ich bin, die mich nicht bewerten nach Aussehen, Alter, Beruf oder was immer, für die es einfach selbstverständlich ist, dass ich dazwischen sitze.
Ich hab mich damals mit Beginn der Depression so von allem und allen zurück gezogen, dass ich kaum noch Kontakte hatte. Hab mit niemandem wirklich geredet, konnte nicht über die Krankheit sprechen, aber auch keinen Smalltalk machen. Das ging so weit, dass ich mich erschrocken habe, wenn mich jemand ansprach. Dass ich abends im Dunkeln einkaufen ging, damit mich nur ja niemand sieht. Ich hab alles abgelehnt, was über Hallo und Tschüss hinaus ging. Und irgendwann war ich verdammt alleine.
Dank Therapie und dem Hilfe-Dings bin ich heute wieder ein soziales Wesen mit dem Bedürfnis nach Kontakt. Dank der vielen Arbeit an mir bin ich auch wieder in der Lage, soziale Kontakte anzunehmen und zu genießen. Und dazu gehört eben auch das Haus, in dem ich lebe und die Menschen dort.
Nachdem der Sommer erträglich war, was den Lärm der Kneipen und Restaurants angeht, bin ich jetzt wieder richtig froh, hier zu leben. Ich hoffe, das hält eine Weile. Irgendwann, wenn ich die Treppen nicht mehr schaffe, muss ich mich anderweitig umgucken, aber bis dahin ist es gut, hier zu sein.
11-09-2024 Herbstanfang
Das ging jetzt wirklich schnell. Am Sonntag noch brüllende Hitze mit über 30°, nur einen Tag später zeigt das Thermometer auf meinem Balkon dank Regen und Gewitter nur noch 15°. Heute hab ich das erste Mal schon gleich morgens die Wollsocken angezogen und auch noch die Wolljacke dazu. Statt einer Schüssel frischem und vor allem kühlem Salat wie noch vor drei Tagen steht jetzt grade ein Topf Kartoffelsuppe auf dem Herd. Die Balkontür ist zu, die Sonne schafft es nicht mehr über das Dach vom Haus gegenüber und die Luft fühlt sich wirklich kalt an, auch hier drinnen.
Kein Zweifel: der Herbst ist da. Nun dann. Es gibt noch mehr Farben und schöne Momente, die gesammelt werden wollen.
P.S. Nur die Mücken haben noch nicht verstanden, dass der Sommer vorbei ist. Verdammte Mistviecher.
08-09-2024 Der letzte Sommertag
Mit nur wenigen Ausnahmen lagen die Temperaturen hier in Hamburg seit Mitte Juni zwischen 20° und 25°, an vielen Tagen bei mehr als 30°. Endlose Hitze, ohne Wind keine Abkühlung, selbst in der Nacht nicht. Mein Gehirn fühlte sich zwischendurch an, als sei es auf Walnußgröße geschmolzen. An solchen Tagen dreht der Kreislauf im Kreis, brummt der Kopf dauerhaft (und es ist nicht der normale 24/7 Tinnitus), alles klebt und ich möchte die ganze Zeit unter lauwarmem Wasser stehen. Ich war wirklich froh, dass ich nicht mehr arbeiten und was leisten muss.
Aber irgendwie war es auch schön. So viel Licht, so viel Wärme bis tief in die alten Knochen. Die Menschen da draußen schienen - zumindest aus meinem Blickwinkel vom Balkon aus - oft gelassener zu sein, lockerer und offener, nicht nur was die Kleidung anging. Das Leben fand draußen statt und ja, manchmal war mir das viel zu laut, aber es erinnert eben auch an den Süden und an Urlaub und das ist ja gut.
Aber nun: der letzte Sommertag soll es gewesen sein heute. Nochmal 30°, dank etwas Wind aber aushaltbar, nicht drückend. Ein ruhiger Sonntag, ohne großes Tun, aber immer mit diesem Abschiedsgedanken im Kopf. Die Abkühlung in den nächsten zwei Wochen wird uns in den Herbst bringen und irgendwie finde ich es grade schade. Hab ich denn schon genug Sonne und Wärme getankt, ist der Speicher voll geworden? Wird es reichen über die lange dunkle Jahreszeit?
Herbst ist ja an sich nicht schlimm, ich mag den ja sogar richtig gerne mit allen Farben und dem blauen Himmel mit den dicken Wolkenbergen und wenn es morgens frisch ist und würzig nach gefallenen Blättern riecht und vielleicht, hoffentlich wird er ja mal wieder etwas schöner als in den letzten Jahren (Klimawandel sei Dank) – aber er dauert halt nie lange und dann kommt der Winter und die Zeit bis zum nächsten Frühling ist endlos lang.
Aber es ist zu akzeptieren, was wir nicht ändern können und grade freu ich mich, dass ich noch ein paarmal unterwegs sein konnte.
Neulich nach der Therapie erst am Fischmarkt und dann die große Tour mit der Fähre (Altona - Finkenwerder - Landungsbrücken).



Mit meinem Hilfe-Dings zum Rüschpark (auch wenn das Picknick ins Wasser fiel, war es ein wirklich toller Ausflug mit lieben, zum Teil bis dahin unbekannten Menschen).



Am Montag mit Freundin I. wie letzte Woche spontan beschlossen für einen Tag nach Travemünde, inkl. Strandkorb und Sonnenbrand.



Mit der Mittwochsgruppe endlich in den Botanischen Garten, nachdem dieser Ausflug vorher bereits zweimal nicht stattfinden konnte.



Dass ich nicht lange gehen kann, ist ziemlich doof, aber es gibt auch gute Ziele ohne weite Wege. Hauptsache, ich seh was anderes als mein Zuhause. Hauptsache, ich hab genug Wärme, Farben und Bilder gesammelt. Und wenn ich mir die Fotos so anschaue, dann sieht es ganz gut aus.
29-08-2024 Hochsommerhitze
Die Luft steht, kein Windhauch, nirgends.
(Ist das eigentlich aus einem Gedicht oder einem Song oder warum kommt mir die Phrase so vertraut vor?)
Alles klebt, vor allem die Arme an der Schreibunterlage. 32° zeigt das Thermometer an, das auf dem Balkon im Schatten hinter den Erdbeeren hängt. Ich müsste mal nachforschen, der wievielte Tag mit solchen Temperaturen das ist dieses Jahr, irgendwer wird da sicher mitgeschrieben haben.
Ach guck, da ist ja eine Tabelle.

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Die beste Anschaffung dieses Jahr war der Ventilator. Ich gehe sparsam damit um in Gedanken an die Stromrechnung im Herbst, aber zwischendurch stell ich ihn an und genieße die Abkühlung. Nach einer halben Stunde muss er wieder aus, dann muss die Sprühflasche mit dem kühlen Wasser reichen. Ich mach da übrigens einen Spritzer von meinem Lieblingsduschgel rein, das riecht so gut auf der Haut. Dann noch die Füße ins kalte Wasser, danach gehts halbwegs wieder.
Ich tu mich ja immer noch immer wieder mal schwer damit, keinen Job und damit keine “richtige” Aufgabe mehr zu haben. Bei solchen Temperaturen bin ich dann aber doch froh, dass ich nichts mehr leisten muss. Mein Gehirn ist mehr mit schwitzen als mit denken beschäftigt. Wie hab ich das früher ausgehalten beim arbeiten?
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Neulich war ich kurz davor, mir ein Kleid zu kaufen, unter das ich dann nur noch eine Leggins ziehen würde an den ganz heißen Tagen. Mir doch egal, wie ich aussehe damit. Die Männer tragen ja auch ganz selbstverständlich ihre dicken Bäuche in engen Shirts vor sich her, warum sollte ich nicht das gleiche tun dürfen? Wer will es mir verbieten (außer ich mir selbst)? Ich hab eine Figur, es ist Sommer, also hab ich eine Sommerfigur. Basta.
Aber weil ich mich natürlich doch schäme für mein Aussehen, hab ich das gelassen mit dem Kleid. Vielleicht nächstes Jahr.
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Und wie ich so auf der Suche nach einem passenden Beitragsfoto bin, fällt mir auf, dass ich dieses Jahr überhaupt noch nicht am Meer war. Die Augen sind wieder gut, der Rücken und die Füße mehr oder weniger auch, diese Woche sind die Ferien zu Ende, das D-Ticket will immer noch ausgenutzt werden. Ich muss ans Meer, dringend. Sehr bald. Ostsee reicht, Hauptsache Wasser und Weite, so wie auf dem Foto oben, das letztes Jahr in Travemünde entstanden ist.
Ja, ich fahr ans Meer. Freundin I. wollte auch, die kommt einfach mit.
26-08-2024 Wenn ich wollte
Wenn ich wollte, wie ich könnte und würde, wie ich wollte, dann stünde hier so viel mehr. Dann wäre das hier wirklich ein Tagebuch. Mein Leben ist nicht aufregend, nicht besonders abwechslungsreich und schon gar nicht bedeutsam, aber es gibt ja doch das ein oder andere Erlebnis, über das ich hier schreiben könnte für die Erinnerung.
Vor allem aber gibt es Gedanken, haufenweise, unzählbar. Vom Aufwachen bis zum Einschlafen sind Gedanken in mir, es gibt keinen Moment, in dem ich nicht irgendwas denke, formuliere, sage ohne Ton. Ich könnte sie aufschreiben, diese Gedanken alle, nicht für die Nachwelt, so besonders sind sie nicht, aber vielleicht endlich einfach nur für mich. Damit ich sie aus dem Kopf bekomme und da wieder Platz für anderes ist.
Wie oft hab ich das schon geschrieben hier und doch nicht getan.
02-08-2024
Immer wieder mal frage ich mich, ob die ehemaligen Freunde zwischendurch auch an mich denken so wie ich an sie oder ob nur ich die mit dem Kopf voller Erinnerungen bin.
(Heute Nacht ein überaus schöner, durchaus erotischer Traum von M., der lange nachhallt. Nicht mehr so furchtbar traurig wie noch vor ein, zwei Jahren, aber dennoch irgendwie sentimental und eben bedauernd. Dieses Gefühl für ihn wird vermutlich nie vorbei gehen.)
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Wie es aktuell ist:
Nachdem der Schmerz im Daumengelenk am Sonntagabend auf der Schmerzskala von 1 - 10 die 12 erreicht hatte und ich nichtmal mehr ein Blatt Papier hätte halten können, bin ich am Montag endlich zur Hausärztin gegangen. Die gab mir den Tipp, es zuerst einmal mit Quarkwickeln zu versuchen, um den akuten Schmerz zu dämmen. Bisher hab ich von diesem Hausmittel nur gehört, aber wenn ich gewußt hätte, was für Wunder das vollbringt, hätte ich es vielleicht schon früher mal eingesetzt. Ich hatte am gleichen Abend einen Wickel gemacht und war am nächsten Morgen nahezu schmerzfrei. So ist es jetzt immer noch: ein paar Bewegungen tun blöd weh und ich kann nicht alles greifen, aber das sind die Ausnahmen. Da der Quark ja verbraucht werden muss und ich ihn nicht esse, will ich ihn einfach noch eine Weile abends auf den Daumen packen, vielleicht bekomme ich die Arthrose damit etwas gebändigt. Und wenn das Knie mal wieder meckert irgendwann, weiß ich jetzt, was hilft.
Zusätzlich hab ich ein Rezept für Physiotherapie bekommen und werde dort fragen nach einfachen Übungen, die ich im Sitzen und Stehen machen kann, um wieder etwas beweglicher zu werden und den Rücken zu stärken.
Lustigerweise (big brother is listening!) bekam ich nach dem Ärztinnenbesuch prompt auf Instagram einen Kanal empfohlen, auf dem ein älterer Mann solche Übungen zeigt. Endlich passt das mal.
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Weil bis dahin alles so positiv lief und meine Stimmung entsprechend gut war, bin ich nach der Mittwochsgruppe spontan am Jungfernstieg nicht um-, sondern ausgestiegen und hab ein wenig Touristin in der eigenen Stadt gespielt. Es war sau heiß, es war voll, aber es ist eben auch einfach schön da am Wasser. Und es tut mir gut, draußen zu sein.



26-07-2024 Das Nichts
Es ist so einfach, sich fallen zu lassen in das Nichts. Viel zu einfach.
“Ich muss ja nichts” war lange Zeit mein Mantra, weil ich das bedrückende Pflichtgefühl abschütteln, das ewige Leistungsdenken los werden musste, weil ich mir endlich erlauben wollte, einfach nur zu sein. Weil ich lernen musste, dass ich jemand bin, auch ohne etwas dafür zu tun. Dieser Lernprozess - die Daseinsberechtigung nicht aus einer erbrachten Leistung zu ziehen - ist immer noch nicht abgeschlossen, ich arbeite weiterhin daran.
Aber inzwischen hat sich das “ich muss ja nichts” ausgebreitet zu etwas, das nicht gut ist. Es ist zu einer Ausrede verkommen, zu einer Pauschalerlaubnis, wichtige Dinge und auch solche, die mir gut täten, einfach zu lassen. Ich weiß das und dass das auf Dauer nicht gut geht, aber ich lasse mich fallen in das Nichts. Weil es so viel einfacher ist, als mich zu bewegen und los zu gehen und etwas zu ändern.
Ich habe Rückenschmerzen, ich will meine Hausärztin fragen, ob sie mir Physiotherapie verordnen kann. Ich schiebe es weg, weil es doch nicht so wichtig ist. Mein Daumengelenk tut seit Wochen weh, es wird immer schlimmer. Heute kann ich kaum etwas halten damit, aber naja, was solls, ist ja nicht so wichtig, dann nehm ich eben die andere Hand. Ich muss das ja nicht ändern, ich muss ja nichts.
Seit meinem Sturz vor über sieben Wochen hab ich ungefähr zweimal die Wohnung gesaugt. Inzwischen ist es hier nicht mehr nur staubig, sondern dreckig. Meine schöne Tastatur ist im Müll gelandet, weil sie so versifft war. Mein Schreibtisch klebt und krümelt und zum Glück funktioniert im Badezimmer nur eine der beiden Lampen, dann fällt der Dreck auf dem Boden nicht so auf. Aber ich muss ja nichts machen, weil ja nur ich es sehe und solange ich niemandem etwas davon sage, weiß es niemand. Und ich bin nicht so wichtig. Ich reiche mir nicht als Grund, etwas zu tun.
Ich hätte das Recht auf eine Haushaltshilfe, aber dann müsste ich mir und anderen eingestehen, dass ich nicht alleine zurecht komme. Dann muss ich lieber nichts.
So geht es grade mit allem. Ich bin so unfit wie noch nie, weil ich im letzten halben Jahr dank Brille, Augen und Sturz kaum draußen war, aber ist doch egal, dann ist es eben so. Wenn ich wirklich in eine Tagesklinik will, muss ich da anrufen und einen Fragebogen ausfüllen, aber ich muss das ja nicht, ich will das ja nur. Es wäre positiv, wenn ich wieder etwas früher aufstehen würde, damit ich mehr Stunden habe, in denen ich was tun kann (Dinge, die ich tun will), aber eigentlich ist es auch egal, wenn ich bis Mittag oder länger im Bett bin. Ich würde ja nur wollen, aber ich muss ja nichts.
Dieses Nichts ist ein watteweiches, bonbonfarbenes kleines Biest. So leicht, so verlockend, so gefährlich, denn hinter dem Quietschbunt lauert das schwarze Loch. Da ist dann aber wirklich nichts.
11-06-2024 Nicht mein Jahr
Ich glaub, ich hab es schonmal erwähnt oder vielleicht auch nur gedacht, weil ich ja schon seit Wochen nur im Kopf schreibe und nicht im Blog, also jedenfalls: dieses Zwanzigvierundzwanzig und ich, wir werden wohl keine Freundinnen mehr. Zu viele Steine und Knüppel, die da im Weg rum liegen. Zu viel absolut unnützer Mist, der zu tragen und bewältigen ist. Da lässt die Depression natürlich nicht lange auf sich warten und stürzt sich mit Freuden mittenrein. Ehrlich gesagt würd ich die aber grade gerne länger nehmen, wenn ich sie tauschen könnte gegen alle Schmerzen und körperlichen Einschränkungen: mit der kenn ich mich wenigstens schon aus und weiß, dass ich nicht an ihr kaputt gehe.
Nein, die erste Hälfte von diesem Jahr, auch wenn sie noch nicht ganz rum ist, war definitiv nicht für mich gemacht. Da bleibt für die zweite Hälfte verdammt viel Potential, wenigstens ein kleines bißchen besser zu werden.
Trotzdem weiter gehen. Es hilft ja nix.
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(Gefrustet geschrieben, weil ich am Morgen des 05.06. beim Gang zum Klo im Halbschlaf hingefallen bin und alles weh tut. Ich behaupte mal, es ist nichts gebrochen, aber der ganze Hüftbereich wurde heftig geprellt und gestaucht. Jede Bewegung ist extrem schmerzhaft: bücken, heben, aufstehen, hinsetzen, selbst die Arme anzuheben tut weh. weil da die Bauchmuskeln noch mitbeteiligt sind. Stehen und gehen geht kaum, sitzen nur, wenn ich mich nicht bewege, im Liegen ist es erträglich.
Abgesehen von den Schmerzen, die nur mit vielen Ibus auszuhalten sind, wirft das grade auch alle meine Pläne über den Haufen. Kein Treffen mit Frau R., keine Mittwochsgruppe, kein Ausflug nach Travemünde mit dem Hilfe-Dings. Den Termin für die neue Brille musste ich absagen und darum noch länger ertragen, dass ich nicht gut sehen kann. Alles schiebt sich weiter raus, worauf ich mich langsam wieder gefreut hab. Die Kamera wartet so dringend auf mich. Ausflüge wollte ich machen, wenigstens so lange die Füße mich tragen, was ja eh nicht weit ist. So vieles wartet darauf, dass ich wieder fit bin, vor allem auch mental. Dieser blöde Sturz wirft mich wieder aus der Bahn, im wahrsten Wortsinn. Ich mag nicht mehr. Zwanzigvierundzwanzig, du bist echt ein Arsch.)
(Das einzige, was an dem Sturz “gut” war: dass ich die Tochter fast jeden Tag gesehen hab, nachdem wir es vorher so lange nicht geschafft hatten, uns zu treffen. Ich hab mich überwunden und sie um Hilfe gebeten, ob sie für mich einkaufen kann. Das tat sie natürlich gerne und selbstverständlich, meinte allerdings, dass das mit dem Hinfallen deswegen trotzdem lieber nicht zur Gewohnheit werden sollte, nur damit wir uns sehen. Ich geb mir Mühe, mein liebstes Kind ;-))