Fünf Jahre sind es her, da schrieb ich von dem kleinen Haus, in dem ich mich so eingerichtet habe, dass es mir relativ gesehen gut geht - solange ich nicht raus schaue und all die Erwartungen sehe, die das Leben an mich stellt.
Daran musste ich denken letzten Donnerstag auf dem Weg zur Therapiestunde. Und dann kam auch wieder die alte Frage auf: geht es mir deshalb nicht gut, weil ich mir nicht erlaube, dass es mir gut geht trotz (oder mit) der Depression?
Weil, wenn es mir gut geht, dann kann ich ja auch wieder arbeiten gehen und muss dem Staat nicht auf der Tasche liegen und dankbar sein für etwas, was ich doch vielleicht gar nicht verdient habe, weil ich an meiner blöden Krankheit ja selbst schuld bin. Und überhaupt geht es anderen ja viel schlechter und die arbeiten trotzdem und kriegen ihr Leben irgendwie auf die Reihe, also darf es mir doch nicht gut gehen, oder?
Nutze ich darum all die Skills nicht, mit denen es mir vermutlich besser gehen würde?
In meinem Kopf weiß ich genau, dass ich das Recht habe, dass es mir gut geht. Dass es niemanden was angeht, weil ich niemandem etwas weg nehme oder es anderen besser geht, wenn es mir schlecht geht. Ich weiß auch theoretisch ganz genau, dass es mir (würde ich all die Skills anwenden) gut ginge, eben weil ich nicht fremdbestimmt arbeiten muss. Dass es womöglich ganz schnell wieder abwärts ginge, müsste ich zurück in die alte Maloche, die ja zu einem großen Teil dazu beigetragen hat, dass es mir schlecht ging, dass die Depression richtig rauskommen konnte. Ich weiß auch, dass ich mit meinen 60 Jahren nicht mehr in den normalen Arbeitsalltag zurück kann. Dass, wenn überhaupt, nur ein langsamer Einstieg möglich wäre und eine sehr reduzierte Arbeitszeit und dass sich das für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr lohnt.
Ich weiß das alles, aber das schlechte Gewissen bleibt. Dass ich von Geld lebe, das ich nicht (selbst) verdient habe. Dass ich einfach zuhause sein kann, während andere sich abstrampeln da draußen. Dass ich mich “einfach so” um mich selbst kümmern kann und keine Ansprüche erfüllen muss.
Und das lässt sich nur halbwegs aushalten, wenn es mir nicht zu gut geht.
Aber es darf mir gut gehen. Ich darf etwas dafür tun, dass meine Welt nicht rabenschwarz ist, dass ich Hoffnung haben kann, dass schöne Momente in meiner Seele länger haften bleiben als nur einen Wimpernschlag lang, dass ich “ja” denken kann und nicht immer “nein” oder “ja, aber”. Ich darf meine Tage mit guten Dingen füllen, auch wenn sie nur mir alleine nützen. Ich darf genau das arbeiten, was ich möchte und ich darf aufhören damit, wenn die Energie verbraucht ist und wieder aufgefüllt werden muss. Ich darf freitags mit gutem Gewissen frei machen, weil ich in den Tagen davor genug an mir gearbeitet habe. Ich darf mit meinen geliebten Klavierkonzerten von Bach auf den Ohren glücklich durch mein Hamburg streifen und die Wärme genießen, die dabei in meinem Herzen entsteht. Ich darf dafür sorgen, dass es mir gut geht. Weil ich niemandem etwas weg nehme damit. Und weil ich es verdiene, wie jeder andere Mensch auch.
(Könnt ihr mir das bitte vor Augen halten, wenn ich das nächste Mal wieder daran zweifle?)
Das verstehe ich gut. Und ich finde es toll, wie du das reflektiert. Bach!