Seit Jahren jongliere ich schon mit Worten und Ausreden und Erklärungen rum, warum ich diese vielen zusätzlichen Kilos auf mich drauf gepackt habe. “Es war das einzige, was ich kontrollieren konnte.” - “Es war ein Schutzwall um meine Gefühle, um mich.” - “Es hielt die Menschen von mir fern.” Usw. usw.
Und dann gerate ich heute auf zufälligen (?) Wegen an die Leseprobe eines Buches *) und *bäm* da steht es und trifft mich wie ein Hammer:
»Du meinst also, das Beste, was du vom Leben bekommen kannst, ist kalte Gemüsesuppe?«
Als sie weiterspricht, bebt ihre Stimme. »Es ist der einzig wirkliche Trost, den ich habe, und ich werde nicht auf ihn verzichten.«
Es geht um Trost, einfach immer. Früher und jetzt - letztendlich läuft es immer auf Trost hinaus. Ja, auch Anerkennung, Liebe, Unterstützung, Partnerschaft… fehlt mir, aber das allumfassende Gefühl, das meinen Mangel am besten beschreibt, ist der Wunsch nach Trost.
Ich möchte getröstet werden: für alles, was ich erleben musste, ohne es zu verstehen. Für alles, was ich entbehren musste. Für all die Momente, in denen ich alleine gelassen wurde, zureckstecken musste, übersehen und überhört wurde. Für jeden Moment, in dem ich physisch und psychisch verletzt wurde.
Ich möchte getröstet werden. Gehalten, umsorgt, geliebt. Ich brauche keine guten Ratschläge, es reicht, wenn jemand mich hält und mir sagt, dass alles gut wird.
Dass die Erdnussflips und Sahnetorten mich nicht trösten, auch wenn der Geschmack eine Erinnerung daran auslöst, wie sich Trost womöglich anfühlen könnte, ist mir bewußt. Aber es ist im Moment (scheinbar) der einzige Trost, den ich habe. Außer, ich lerne, mich selbst zu trösten.
Denn was im Trost enthalten ist, ist Zuversicht. Dass ich es schaffen werde, dass ich wieder ins Leben komme, dass ich meine Ängste überwinden kann, dass ich irgendwann mal essen kann, weil ich einfach nur Hunger habe.
Solange ich aber dem Essen die Schuld an meinem Übel gebe, solange ich bei jedem Bissen entweder ein schlechtes Gewissen habe oder ihn trotzig in mich reinstopfe, tröste ich mich nicht, sondern verlagere das eigentliche Problem weiter und bin noch dazu schlecht zu mir. Damit bleibe ich im alten Muster, weit entfernt von Trost und Zuversicht.
Und da sind wir wieder: bei den alten Mustern (Wegen, Gedanken), die so hartnäckig ums Überleben kämpfen. Es spielt keine Rolle, dass ich mir selbst damit schade. Sie sind gewohnt und damit einfacher.
Der erste - alte - Gedanke, der kommt, ist dieser: habe ich überhaupt ein Recht auf Trost? Habe ich wirklich so sehr gelitten, dass ich getröstet werden muss? Haben die anderen nicht viel mehr gelitten als ich? Die kommen doch auch damit klar, warum kann ich das nicht?
Aber das ist ein anderes Kapitel.
*) Geneen Roth: Essen ist nicht das Problem