Vor kurzem sagte ich zu meiner Therapeutin, ich hätte gerne meine Depression zurück, weil sich das mit der Essstörung und allem drum herum im Vergleich dazu so schwierig anfühlt. Ich hätte es nicht sagen sollen. Essstörung mit depressiver Phase ist noch blöder als ohne.
Ein Grund für das gegenwärtige Loch ist wahrscheinlich, dass ich mir das Trauern nicht erlaube. Ich bin doch schon seit 6 Wochen wieder zuhause, langsam muss es doch mal gut sein mit der Traurigkeit darüber, dass ich nicht mehr in Malente bin. Aber es ist eben so: ich bin traurig. Neben allem glücklich sein über das was war, fehlen mir ein paar bestimmte Dinge und Menschen so sehr. Das Wissen, dass ich das nie wieder erleben und sie nie wieder sehen werde, weil das eben eine einmalige Sache war: das macht traurig. Ich kann das nicht einfach wegstecken, ich muss auch das aushalten und abwarten, bis es weniger wird. Vor allem aber darf ich es mir erlauben.
Was mir am meisten fehlt grade, sind die intensiven Gespräche in den DBT Stunden mit den Mitpatient:innen und der Input von Herrn S., dem Psychotherapeuten. Nachdenken über sich selbst, Emotionen analysieren, Unbewußtem auf die Spur kommen, Veränderung probieren: das alles geht leichter, wenn man nicht alleine ist damit. Wenn Feedback kommt von jemandem, der sich auskennt oder von anderen, die es auch kennen und tun.
(Und ja, ich geb es zu, auch Herr S. selbst fehlt mir, als Mensch. Wie gerne würde ich mich mit ihm weiter unterhalten, nicht nur über Psychosachen. Ich glaube, wir hätten uns viel zu sagen.)
Zum anderen sind es die Stunden mit der Körpertherapeutin, weil ich da so sehr bei mir und in mir war, wie ich es hier zuhause nicht schaffe. Ich war so stark, so gelassen und ruhig in Malente. Ich fühlte mich schön (!), seit so langer Zeit wieder. Gestern, als ich von der Physio raus kam und auf die Straße ging, konnte ich es für einen Moment wieder fühlen. War in meinem Körper zuhause. Ging aufrecht, war leicht. Und dann war der Moment wieder weg und ich wieder voll mit allen Zweifeln. Werde ich das je schaffen? Was bin ich mir selbst wert, hab ich einen Wert, kann ich mich so wertschätzen, dass ich mich wirklich gut um mich kümmern kann? Und kann ich auch irgendwann meinen Körper schätzen und womöglich sogar mögen?
Deswegen der Vergleich mit Depression und Essstörung. Die Depression findet in mir statt, in meinen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. Damit kenn ich mich aus, da bin ich ich, da mag ich mich sogar. Aber die Essstörung hat dazu die körperliche Seite und die hab ich fast das ganze Leben ausgeblendet, weil sie zu negativ belastet war/ ist.
Vielleicht fühlt es sich aber auch nur so an, weil ich mich das erste Mal wirklich damit beschäftige. Die Depression war am Anfang und für viele Jahre ja auch schwer, der Weg bis da, wo ich jetzt bin, hart und steinig. Ich will nur nicht nochmal 10 Jahre oder mehr für die Ess-/ Körpergeschichte brauchen. Ich will nicht mehr leiden, ich will leben. Ich will endlich gut mit mir sein können, über andere Dinge nachdenken, tun können. Und ich will, dass es länger als nur einen Moment anhält.
Aber jetzt, jetzt grade bin ich traurig, weil vergangen ist, was gut war. Weil die Erinnerung daran noch nicht alleine reicht.