14-09-2020 don’t panic

Immer noch und immer wie­der gehe ich zu spät ins Bett. Immer noch und immer wie­der ist da die Sorge, dass ich nicht ein­schla­fen kann oder nach zehn Minu­ten wie­der hell­wach bin. Darum warte ich, bis ich so rich­tig hun­de­müde bin - dann schlafe ich zwar halb­wegs schnell ein, bin aber fast jeden Mor­gen erst­mal wie gerä­dert. Weil es ein­fach zu spät war.

Heute mor­gen, nach dem ers­ten Gang ins Bad, war es mir zu früh zum Auf­ste­hen, also bin ich wie­der ins Bett. Danach war es dann fast Nach­mit­tag. Das ist genauso scheixxe wie zu spät ins Bett zu gehen. Ich sollte daran arbeiten.


Ich sollte even­tu­ell auch daran arbei­ten, warum ich eigent­lich immer noch und immer wie­der vom ver­damm­ten letz­ten Job träume. Was will mir das sagen, dass ich wie­der und wie­der beto­nen muss, dass ich da nicht mehr arbeite, dass ich mir die Schi­kane nicht mehr gefal­len lasse, dass die Chefs keine Macht mehr über mich haben? Wo ist die posi­tive Seite an etwas, das mich sogar im Traum so viel Kraft kostet?


Diese Woche ste­hen Ter­mine an: Diens­tag Dia­be­tes­pra­xis und Tref­fen mit Frau R., Don­ners­tag The­ra­pie, Frei­tag Ortho­pa­die. Irgend­wann vor Frei­tag sollte ich prak­ti­scher­weise zum ande­ren Ortho­pä­den fah­ren und die Unter­la­gen abho­len, damit ich die am Frei­tag mit­neh­men kann. Und theo­re­tisch bräuchte ich von der Haus­ärz­tin eine Über­wei­sung zur Dia­be­to­lo­gin mor­gen. Außer­dem muss ich irgend­wann noch den Wochen­ein­kauf erledigen.

Beim Gedan­ken daran, wie ich das koor­di­niere, kriege ich Panik. Atem­not, Herz­ra­sen, im Kopf ist das reine Chaos, ich will nur weg hier. Das ist nicht nach­voll­zieh­bar für “nor­male” Men­schen, auch mein frü­he­res Ich hätte dar­über gelacht und dann einen Plan gemacht. Heute komm ich nicht mal bis dahin, einen Plan zu machen. Heute krieg ich eine Krise, wenn ich mehr als zwei feste Punkte / Ter­mine an einem Tag habe, selbst wenn ich die Dinge selbst nicht als schlimm empfinde.

Ich hasse das, abgrund­tief. Mich so unfä­hig, so panisch zu erle­ben. In der Panik fest zu ste­cken, obwohl ich genug Skills habe, damit umzu­ge­hen. Aber Atem­übun­gen und das Bea­men an den inne­ren siche­ren Ort hel­fen nur für den Moment - sobald ich wie­der über­lege, was ich wann wie machen soll, kommt die Panik wieder.


So sieht das aus in mei­nem Kopf:
Mor­gen um 11:45 muss ich in der Dia­be­tes­pra­xis sein. Ich fahre mit der U-Bahn zur Hohe­luft­brü­cke und geh den Rest zu Fuß. Muss also um 11:16 los, nee, warte, lie­ber um 11:11, dann hab ich mehr Zeit zum Lau­fen. Eigent­lich könnte ich vor­her am Schlump raus - da muss ich eh umstei­gen - und kurz beim Ortho­pä­den die Unter­la­gen holen. Wie­viel Zeit brauch ich da? Viel­leicht muss ich war­ten. Wenn ich eine halbe Stunde ein­plane, reicht mir das? Und was, wenn es lange dau­ert? Dann muss ich ent­we­der het­zen oder ich gehe wie­der und muss noch­mal extra hin­fah­ren. Gut, aber eine drei­vier­tel Stunde müsste doch rei­chen. Also um 10:26 zuhause weg. Dann hab ich immer noch keine Über­wei­sung, weil ich doofe Nuss nicht recht­zei­tig dran gedacht hab (oder ein­fach den Gedan­ken an die Haus­ärz­tin aus­ge­blen­det, weil ich da nicht hin will). Aber die Über­wei­sung kann ich auch nächste Woche holen und zur Dia­be­to­lo­gin schi­cken. Oder hin­brin­gen. Okay. Der Ter­min mor­gen dau­ert ca. eine halbe Stunde, wenn sie mich nicht wie­der ver­ges­sen oder sich die vor­he­ri­gen Ter­mine alle raus­ge­scho­ben haben. Ich muss spä­tes­tens um 13:00 Uhr aus der Pra­xis raus sein, damit ich um 13:30 im Park zum Tref­fen mit Frau R. sein kann. Danach wäre eigent­lich der Wochen­ein­kauf dran, weil die Milch nicht mehr lange reicht. Dafür bräuchte ich aber das Fahr­rad, weil ich das nicht alles tra­gen kann. Nehm ich das also mit in die Bahn, steige eine Sta­tion spä­ter wie­der aus, schließe das Rad dort an und fahre dann mit der Bahn wei­ter? Oder fahre ich mit der Bahn nach dem Tref­fen mit Frau R. nach Hause, schnapp mir das Rad, fahre mit der Bahn wie­der zurück, kaufe ein und schiebe dann nach Hause?
Und nach all die­sen Gedan­ken fällt mir wie­der ein: wäre mein Knie nicht lädiert, würde ich ein­fach alles mit dem Rad machen. Es ist alles nicht weit aus­ein­an­der, selbst zur am wei­tes­ten ent­fern­ten Dia­be­tes­pra­xis brau­che ich nur 15 - 20 Minu­ten. Es wäre alles nicht so ein rie­si­ges logis­ti­sches Pro­blem.
Ach, und es soll übri­gens noch­mal heiß wer­den mor­gen. 29° im Schat­ten sind ange­sagt. Super, ich freu mich so.

Aber immer­hin stelle ich jetzt durch das Auf­schrei­ben fest, dass nur der mor­gige Tag Pro­bleme macht. Und viel­leicht reicht die Milch ja noch einen Tag län­ger, dann kann ich alles ent­zer­ren. Dann hab ich zwar diese Woche an jedem Tag etwas vor, aber — nein, das fühlt sich auch nicht gut an. Ich werde den Mitt­woch brau­chen, um mich vom Diens­tag zu erho­len, damit ich für Frei­tag noch genug Kraft habe (Arzt! Neuer, unbe­kann­ter, männ­li­cher Arzt! Das reicht für eine ganze Panik alleine). Das ist wie: ich muss mit 3 schwe­ren Taschen die Trep­pen rauf, jedes für sich ist Anstren­gung. Nehm ich lie­ber alle Taschen auf ein­mal und muss dafür nur ein­mal gehen oder gehe ich zwei­mal und muss dafür nicht so schwer tragen?

Ja, so ist das hier. Möchte jemand tauschen?


Aber damit der heu­tige Tag nicht schon für die Panik ver­geu­det ist, stell ich mir jetzt das neue Album “Encoun­ter” von Igor Levit an, häng die Wäsche auf und bear­beite die Drau­ßen-Fotos von Frei­tag weiter.

2 Kommentare

  1. Nein, tau­schen möcht ich nicht. Ich möchte dir ja nicht meine Bür­den aufladen.
    Was ich aber kann und möchte: Dir sagen, dass ich sehr­sehr­sehr gut weiß, was du meinst. Meine Kopf­mühle dreht ähn­lich kom­pli­ziert. Von allein. Ohne mein Zutun. Und auch das mit den Pani­ken, die da mit im Gepäck sind, ist bei mir ähn­lich. Puh. Ich würde dir ja gerne eine Fee schi­cken, die würde dir dann die schwerste und die zweit- und dritt­schwerste Last die­ser Woche abnehmen.
    ((( <3 )))

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